Mariensäule
Oberbettingen, Gemeinde Oberbettingen Schulstraße / Marienstraße
Beschreibung
Wer gerade in den dunklen Monaten des Jahres von Hillesheim über die Prümer Straße abwärts ins Kylltal fährt, dem fällt beim Blick auf Oberbettingen innerhalb dessen Ortsbeleuchtung etwas oberhalb der Ortsmitte ein besonders strahlendes Licht auf. Es rückt gleichsam ein in unserer Gegend hervorragendes und buchstäblich einzigartiges Kulturdenkmal ins rechte Licht: die Oberbettinger Mariensäule.
Seit 1956 steht sie hier, und seit 1980 trägt die Ortsgemeinde den finanziellen Aufwand, sie in der Dunkelheit anzustrahlen; für ihre Bewohner, Besucher und Passanten. Wie die Gerolsteiner ihre Munterley, die Niederbettinger ihren Eifel-Dom und die Mirbacher ihre Erlöserkapelle als Highlight ihres Ortes. Nach bisheriger Kenntnis ist die Oberbettinger Mariensäule die einzige im Kreis Daun. Und als Fatima-Säule (in Erinnerung an die 1917 mehrere Male drei Hirtenmädchen als weiße Frau erschienene Muttergottes) vermutlich auch einzigartig zwischen Köln und Trier. Im Jahre 2006 wird sie bereits 50 Jahre alt. Für die Oberbettinger Dorfgemeinschaft sicher ein besonderer Anlass zur Freude und für eine angemessene Geburtstagsfeier.
Zum Denkmaltypus Mariensäule
Der Denkmaltypus Mariensäule stammt im Rheinland aus den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts. Er ist hier zwar nicht selten, aber war bei seiner Einführung durch die katholische Kirche nicht unumstritten. So finden wir bereits Mariensäulen in Gymnich (heute Erftstadt-Gymnich) 1856, in Düren 1857, in Köln 1858 und in Düsseldorf 1873. In unserer Region wurden Mariensäulen errichtet in Trier 1866, in Kyllburg 1886 und eben in Oberbettingen im 20. Jahrhundert (1956). Denkmäler dienen bekanntlich nicht nur dem Gedenken an ein bedeutendes geschichtliches Ereignis oder an eine herausragende Person, also der Erinnerungspflege, sondern bezeugen in der Regel auch ein bestimmtes Denken, ja geben Denkanstöße. Insoweit erscheint die geistige Vorgeschichte der Errichtung von Mariensäulen besonders interessant. Sie hat entscheidend zu tun mit dem päpstlichen Dogma der Unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter Maria von 1854. Der führende Kirchenhistoriker des Erzbistums Köln, Prof. Dr. Eduard Hegel, Bonn, berichtet darüber unter anderem: Am 2. Februar 1849 forderte Papst Plus IX. die Bischöfe auf, Erhebungen über die Verehrung der Immaculata in ihren Diözesen anzustellen und auch ihr eigenes Urteil über die Lehre von der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter und deren Dogmatisierung mitzuteilen. Erzbischof Geissel (von Köln, M. W.), der auffallend spät reagierte, wofür es bisher keine Erklärung gibt, befragte als einziger deutscher Oberhirte auch den höheren Klerus seiner Diözese, allerdings wohl in der Erwartung, dass dieser - so wie er selbst - die vom Papst beabsichtigte Dogmatisierung begrüßen werde. Das tat aber nur der Vorstand des Priesterseminars. Die Bonner theologische Fakultät, das Aachener Stiftskapitel und das Kölner Domkapitel, mit Ausnahme von Weihbischof Baudri und Domkapitular Strauss, lehnten sie ab, die meisten der Befragten sprachen sich, wie übrigens die Mehrzahl des deutschen Episkopats, gegen die Opportunität einer solchen Dogmatisierung aus. (zit. n. B. Linden, Schauplatz Köln 1989, Köln 1988, S. 85).
Gesellschaftliche Wirkung
Man könnte diesen kirchengeschichtlichen Vorgang leicht als eine bloße innerkirchliche Angelegenheit abtun, wenn dieser Konflikt nicht auch gesellschaftliche Auswirkungen gehabt hätte. So schreibt Hegel weiter: In Düsseldorf und Köln gab es dabei Schwierigkeiten seitens des liberalen Stadtrates, der den Anschein eines öffentlichen Denkmals der Bürgerschaft vermieden wissen wollte und schließlich den Mariensäulen einen Platz in der Nachbarschaft kirchlicher Gebäude - in Köln gegenüber dem erzbischöflichen Haus (dem damaligen, M.W.) auf der Gereonstraße - anwies; heute befindet sich die Kölner Säule auf dem Gereonsdriesch. Die Denkmalsetzung fand übrigens auch unter den Katholiken nicht ungeteilten Beifall, insofern sich Stimmen meldeten, die ein Werk der Nächstenliebe für sinnvoller hielten. Man einigte sich darauf, beide Projekte durchzuführen; sechs Jahre nach der Einweihung der Mariensäule wurde 1864 das Marienhospital (Kunibertskloster 11-13) seiner Bestimmung übergeben. (E. Hegel, a.a.O.).
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Die Oberbettinger Mariensäule
Beschreibung: Verglichen mit den bisher dargestellten Mariensäulen ist die in Oberbettingen (Grundsteinlegung im Frühjahr 1955 sowie Vollendung und Einweihung im Herbst 1956) die jüngste und schlichteste von allen. Der Oberbettinger Steinmetzmeister Josef Harings fertigte die erste Skizze für den Plan (eigene Mitteilung). Es handelt sich bei dieser Säule um einen im Grundriss quadratischen Pfeiler von 90 mal 90 cm, der sich nach oben verjüngt. Er hat eine Höhe von 6 m mit aufgelegter Abschlussplatte (Kämpfer). In handbehauenen Quadern aus Oberbettinger Buntsandstein aus der letzten Steinmetzwerkstätte am Ort (Steinmetzmeister Josef Oerters) wurde sie in Eigenleistung von Oberbettinger Handwerkern der örtlichen Feuerwehr und der anderen Ortsvereine aufgemauert. Verantwortlicher Bauleiter war der Oberbettinger Bauunternehmer Nikolaus Schiefer. Auf der Abdeckplatte steht - mit Blickrichtung zu Kirche und Ortskern - eine in Kunststein gegossene, rund 2 m hohe Marienfigur mit gefalteten Händen. Sie ist - ihrem Urbild aus Fatima (Portugal) gemäß - weißfarbig gefasst. Pfarrer Schneider ließ sie in einer Werkstätte in Trier anfertigen.
Standort: Errichtet wurde die Mariensäule auf einem künstlich aus Abraum- und Abfallmaterial von Oberbettinger Steinbrüchen aufgeschütteten Hügel, der zu einer idealen Aussichtsplattform mit Blick über das ganze Dorf und seine Umgebung umgestaltet wurde. Sein Volksmund-Name Die Schutt gibt anschaulich Auskunft über seine Genesis. Pfarrer Schneider hatte ihn ausgesucht (freundliche Mitteilung von M. Barollo, Boppard). Das Areal liegt oberhalb der Dorfkirche an der Ecke Schulstraße/Marienstraße gegenber der Alten Schule. Es hat eine Fläche von 17,55 Ar. 1955 ging es durch Schenkung von Josef Oerters, des letzten selbständigen Steinmetzmeisters von Oberbettingen, in das Eigentum der Gemeinde über. Allerdings mit der einzigen notariell beurkundeten Auflage: mit Ausnahme des auf dem Grundstück aufstehenden Baumbestandes, der im Eigentum des Veräusserers verbleibt. (Vertragsurkunde Notar Gerber, Hillesheim, vom 11. 11. 1955). Der heute in Gerolstein lebende 83jähri-ge sehr heimatverbundene Stifter möchte also bei Baumaktionen weiter ein Wörtchen mitreden. Die Gemeinde Oberbettingen hat hier 1980 zwei starke elektrische Strahler installiert, die bei Dunkelheit die Mariensäule anleuchten. Die Freiwillige Feuerwehr Oberbettingen pflegt und verschönert ehrenamtlich und liebevoll seit Jahren das ganze Areal der Schutt einschließlich der Mariensäule.
Idee. Initiative und Finanzierung: Der damalige Pastor der Pfarrei Niederbettingen, zu der Oberbettingen als Filialort gehört, der heute in Hontheim bei Bad Bertrich lebende 88jährige Pfarrer i. R. Ludwig Schneider, hatte die Idee zur Errichtung dieser Mariensäule. Er ergriff auch die Initiative zu ihrer Verwirklichung und blieb bis zur Vollendung und Einweihung die Seele dieses frommen Bauwerks. Es wurde ein Gemeinschaftswerk aller aktiven Gruppen am Ort, an deren Spitze als Organisator Pfr. L. Schneider verantwortlich zeichnete, nicht die Diözese oder andere vorgesetzte Kirchenstellen. (Briefwechsel Vf. mit M. Barollo für Pfr. Schneider). Obwohl Schneider am Ort nur knappe drei Jahre (1954-1957) als Seelsorger wirkte, - es war seine erste Pastorenstelle -, fand er in seiner leutseligen Art in Oberbettingen schnell Anerkennung und Bereitschaft zum Mitmachen, insbesondere bei der Jugend und den Vereinen. Als ausgesprochener Marienverehrer hatte er darüber hinaus auch die Oberbettinger Mütter und Frauen ganz auf seiner Seite, was erheblich die Finanzierung durch Steigerung der Spendenfreudigkeit für die gute Sache erleichterte. Über etwaige Zuschüsse der Pfarr- und Zivilgemeinde gibt es keinerlei Hinweise in den einschlägigen Protokollbüchern. Auch erklärt der Initiator, der sich zwar an die Gesamtkosten nicht mehr erinnert, sicher ist aber, es brauchten keine zusätzlichen Mittel aufgenommen zu werden. (Briefwechsel Vf./Barollo). Praktische Unterstützung, etwa bei Erkundungsfahrten und Besorgungen, fand Schneider auch bei dem damaligen Oberbettinger Lehrer Herbert Andersch, einem Berliner. Ihm verdanken wir auch den einzigen schriftlichen Original-Bericht (s. Schul-Chronik) über die Grundsteinlegung der Mariensäule. Motive und Anlass: 1955 schreibt Lehrer Andersch in der Schulchronik: Die Säule soll... durch ihre weite Sichtbarkeit ein Wahrzeichen der Gegend werden. (S. 153). Das sollte sie gewiss auch, aber dies allein erklärt noch nicht das religiöse Motiv des Initiators Pfr. Schneider und der erstaunlich rasch und stark durch ihn motivierten Oberbettinger Kirchengemeinde. Heute wissen wir mehr. So berichtet uns Schneiders hilfsbereiter Freund Manfred Barollo dankenswerterweise:
Sein Wunsch war es, eine Marien-Säule zu errichten als weithin sichtbares Segensund Mahnzeichen, als stille Hilfe für den Frieden in der Westeifel und der Welt. Darin war sicher auch der für eine Dorfgemeinschaft wie Oberbettingen so wichtige örtliche Friede, etwa zwischen den verschiedenen Gruppen, mit eingeschlossen. Ohne die Tatkraft und Begeisterung der Dorfgemeinschaft wäre die Idee des Pastors nicht verwirklicht worden. Grundsteinlegung und Einweihung: Beide symbolischen Akte wurden am Ort gehörig gefeiert und zum Glück der Nachwelt auch von den Schul-Chronisten anschaulich beschrieben. So berichtet Lehrer Herbert Andersch am 31. 7. 1955 in der Oberbettinger Schulchronik: Am 31. Mai 1955 legte Herr Pfarrer Ludwig Schneider auf der Schutt vor dem Schulhof den Grundstein zur Oberbettinger Mariensäule. Eine Urkunde wurde in den Grundstein eingelassen, unterzeichnet vom Pastor, dem Ortsbürgermeister Feltges, dem Brandmeister der Freiwilligen Feuerwehr Johann Ganser und dem Leiter der Deutschen Jugendkraft Don Bosco. Die Angehörigen der Gemeinde nahmen zahlreich an der Feier teil. Ungefähr eineinhalb Jahre später berichtet Anderschs Amtsnachfolger, Lehrer Josef Jakob, über die Einweihung der Mariensäule in der Chronik: Am 14. 10. 1956 wurde die Mariensäule eingeweiht. Auf einem 6 m hohen Sockel steht die Marienfigur. Zum Teil in freiwilliger Arbeit haben die Oberbettinger dieses Marienmal errichtet. Pfarrer Schneider (als geistlicher Initiator) hat ein gutes Jahr manche Stunden opfern müssen, um nach seinem Plan das steinerne Muttergottesbild über Oberbettingen errichten zu können. (a.a.O., S. 156). Auf ausdrücklichen Wunsch von Pfr. Schneider sei hier festgehalten, dass er das in der Schul-Chronik vermerkte Datum der Einweihung (14. 10. 1956) für falsch hält. Er besteht darauf, dass die Einweihung der Säule am Sonntag, dem 13. Oktober 1957, also ein Jahr später, stattgefunden habe. Dies sei exakt der 40. Jahrestag der dritten Erscheinung in Fatima gewesen. Die Erinnerungsfähigkeit der Oberbettinger ist daher gefragt. Auch, damit eine etwaige Feier 50 Jahre Mariensäule in Oberbettingen nicht im falschen Jahr stattfindet.
Lichterprozession und Ave von Fatima
Pfarrer Schneider verdanken die Oberbettinger nicht nur Idee, Initiative und Verwirklichung der Mariensäule, sondern auch den frommen Brauch einer Lichterprozession. Einmal im Monat zog sie nach einer Andacht in der Oberbettinger Kapelle (seit 1960 erweitert zur Dorfkirche) von hier zur Mariensäule im Schein der entzündeten Kerzen. Man sang dabei Das Ave von Fatima. Das war, so berichten etliche heute ältere Teilnehmer, immer feierlich und einzigartig in unserer Gegend. Das Lied erzählt in sechs Abschnitten mit insgesamt 22 Versen die Erscheinungsgeschichte der Muttergottes in Fatima. Mit dem Schlussvers dieses Marienliedes möge auch mein Aufsatz ausklingen: Hab Dank, o Maria, dass du uns bestellt, Mit Eifer zu schaffen die bessere Welt! Gegrüßt, gegrüßt, Maria, seist du. [1]
Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale /
Sakralbauten /
Bildstöcke und Kreuzwegstationen Zeit:
13.10.1956 [Einweihung]
Epoche:
20. Jahrhundert
Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.62668
lat: 50.28557
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Auf der Schütt
Internet
http://www.oberbettingen.de/
Datenquellen
[1] Prof. Matthias Weber, Niederbettingen.
[2] David Willems, 2016.
Bildquellen
Bild 1: Sammlung David Willems, 2016.
Bild 2: Sammlung David Willems, 2016.
Bild 3: Sammlung David Willems, 2016.
Stand
Letzte Bearbeitung: 12.10.2016
Interne ID: 10434
ObjektURL:
https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=10434
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