Weinstraße (11)
Fernhandelsweg Koblenz-Lüttich
Ormont, Gemeinde Ormont
Beschreibung
Bis zum Aufkommen der Nationalstaaten, die sich mit der Erhebung von Schutzzöllen an ihren Außengrenzen abschirmten, wurde der Handel weniger durch Wegezölle als durch die überhöhten Rheinzölle beeinträchtigt. Im Gegenteil: Die Errichtung ständig neuer Mautstellen am Rhein, von denen es allein zwischen Mainz und Köln an die 40 gab, und die Zollerhöhungen durch die Rheinanlieger führten, wie Engels meint, zunehmend zur Abwanderung des Warenverkehrs auf weniger abgabenbelastete Verkehrswege. Ein Rückgang der Zolleinnahmen am Rhein ist schon für 1408 belegt, da es für den Verkehr vorteilhafter war, statt des bequemen Wasserweges den Landweg über den Hunsrück nach Treis an der Mosel zu nehmen. Der Rhein verlor wegen der Zollbelastungen seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts mehr als die Hälfte seines Warenverkehrs zugunsten der beidseitigen Umgehungsstraßen. Auf der linksrheinischen Seite gehörte dazu die von Lüttich über Stablo/Malmedy, Aachen und durch die Eifel führende Umgehungsstraße, die sich bei Hillesheim gabelte. Während eine Fernstraße über Ulmen bei Senheim die Mosel überquerte und durch den Hunsrück über Mainz ins Elsaß führte, ging die andere über Mayen, Polch bis Koblenz und von dort aus weiter teils über Nassau, teils über Montabaur und Limburg nach Frankfurt.
Von den acht bedeutenden Überlandstraßen im linksrheinischen Deutschland um 1800 nahmen überhaupt nur die Straße von Koblenz über Malmedy nach Lüttich und die Trier-Lütticher-Straße, die nördlich von Prüm in die vor genannte einmündete, ihren Verlauf durch die Eifel, während die übrigen Überlandstraßen das Mittelgebirge umgingen. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht der etwa 57 km lange Streckenabschnitt der Straße Koblenz-Lüttich zwischen Losheim/Eifel (an der heutigen belgisch-deutschen Grenze) über Ormont, Steffeln, Hillesheim, Dreis (Kreis Daun) und Kelberg (Kreis Daun). Während der Streckenabschnitt östlich von Kelberg (also Richtung Mayen/Andernach) durchgängig als "Heerstraße" bezeichnet wurde, erscheint für die westlichen Abschnitte der für den Eifel-Ardennen-Raum recht ungewöhnliche Name "Weinstraße". Dabei finden sich erstaunlicherweise in der Eifel und im Hunsrück, in Gebieten ohne Weinbau, eine Vielzahl von Nachweisen für alte "Weinstraßen", wobei diese Bezeichnung in diesen Fällen ein eindeutiger Beleg für den Transport von Wein ist. Während die bekannten heutigen Weinstraßen dem Erfindungsreichtum von Marketingexperten zu verdanken sind und zu den festen Bestandteilen des Weintourismus gehören, haben wir mit den historischen "Weinstraßen" mittelalterliche und frühneuzeitliche Handelswege vor uns, auf denen Wein aus den Erzeugergebieten zu den Absatzmärkten transportiert wurde. Lüttich lag am Ausgang der durch Eifel und Ardennen führenden Handelswege, über die vornehmlich Moselwein zu Lande herangeschafft und von hier aus weiter nach Limburg und in die Brabantstädte gebracht wurde.
[...]
Frühe Zeugnisse über den Weintransport von den Weinanbaugebieten an Rhein, Ahr und Mosel in die Eifel finden sich im Prümer Urbar von 893. Das Güterverzeichnis der Benediktinerabtei Prüm führt unter anderem auch umfangreichen Weinbergsbesitz an der Mittelmosel (Quint, Mehring, Schweich, Klüsserath, Thörnich, Ensch, Trittenheim, Piesport), am unteren Mittelrhein bei Retersdorf (Wüstung bei Honnef), Bachern und Unkel, an der Ahr bei Kesseling, Dernau, Kreuzberg, Valwig, Walporzheim und Ahrweiler, an der Nahe (Bingen, Altenglan, Odenheim) sowie im Wormsgau (Rheingönheim, Weiler, Hillesheim, Dienheim, Albisheim, Odenheim) auf. Die Transportdienste von diesen oft sehr weit entfernten Gütern waren bestimmten Hufenbesitzern als sogenannte Anger- oder Engerfahrten (von "angaria") als besondere Frondienste aufgetragen. Auf zweirädrigen, von Ochsen gezogenen Karren, begleitet von mehreren Bauern, wurde Wein, Korn und Salz nach Prüm gebracht. Die Getreide- und Weinzinse aus dem Lahn-, Worms- und Speyergau transportierte man zunächst mit dem Schiff nach Cochem, wo ebenso wie in Schweich und Remich Speicherplätze vorhanden waren. Von dort aus erfolgte der Weitertransport mit Angerfahrten auf dem Landweg nach Prüm. Die Angerfahrten nach Cochem wurden mit Kalenborner, Birresborner und Sarresdorfer Wagen durchgeführt. Zum Sammelplatz Schweich fuhren Wagen aus Etteldorf (bei Kyllburg), Mötsch (bei Bitburg) und Mehring, um Wein, Korn und vermutlich auch Salz abzuholen. In Remich an der luxemburgischen Obermosel wurden nicht nur Wein und Weizen für den Weitertransport gespeichert, sondern hier wurde auch das Salz aus den prümischen Salinen in Vic-sur-Seille (Lothringen) angelandet. Angerfahrten mit Wein sind weiter vermerkt für Iversheim (bei Euskirchen), Münstereifel, für mehrere Höfe um Münstereifel und Altenahr (Hospelt, Effelsberg, Kesseling, Pützfeld, Kreuzberg, Vischel, Ahrweiler, Altenahr, Elsaff, Münchhausen), für Klüsserath und Trittenheim, für Villip, Eigen und Volberg. Von Odenheim an der Nahe wurde Wein nach Bingen gebracht und von dort nach Cochem, Altrip oder Frankfurt. Der Wein wurde nicht nur im Kloster selbst konsumiert, den Bauern in den der Abtei benachbarten Dörfern Rommersheim, Wetteldorf, Hersdorf, Wallersheim, Sarresdorf, Kalenborn, Lissendorf, Olzheim, Ormont und Bleialf war ausdrücklich der Verkauf von Wein und Salz aufgetragen. Zwar scheint im allgemeinen das System der Engerfahrten nur bis in das 12. Jahrhundert Bestand gehabt zu haben, aber nach Meinung von Lamprecht haben sich im Bereich der Prümer Grundherrschaft Engerfahrten an die Mosel am längsten erhalten. So sind in den Weistümern von Birresborn, Niederprüm, Wallersheim, Wetteldorf, Gondenbrett, Büdesheim, Sellerich und Seffern, also alles Orte in der näheren Umgebung von Prüm, noch Engerfahrten an die Mosel zwischen Konzerbrück und Hatzenport aufgeführt. Der Trinkkonsum einer wachsenden Bevölkerung bewirkte eine seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts rapide und auch im 14. Jahrhundert fortdauernden Erweiterung der Weinbergskulturen und einen gewaltigen Aufschwung des Weinhandels. Das erhalten gebliebene Zollregister des kurtrierischen Landzolls von Ulmen in der Osteifel von 1560, an dem Zoll auf Wein und Wolle erhoben wurde, gibt eine Vorstellung von Umfang und Ausdehnung des Weinhandels. Für Kurtrier war dieser Landzoll, der teils als Markt-, teils als Transitzoll erhoben wurde, fiskalisch bedeutsamer als die Kellerei Ulmen selbst. Die über 100 Bestimmungsorte, die in den Zollakten genannt sind, lassen die Reichweite der Weintransporte erkennen. Schwerpunktmäßig wurde die Zentraleifel beliefert. Die am weitesten entfernten Bestimmungsorte waren Malmedy, Sankt Vith, Eupen, Monschau im Westen, Düren, Gymnich, Sechtem im Norden, Seinsfeld, Oberkail und Manderscheid im Süden. Die Frage, welchen Weg die Engerfahrten von Cochem oder Schweich nach Prüm einschlugen, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Lediglich in den Anmerkungen des Cäsarius zum Urbar wird als Ausruh- und Stützpunkt bei Reisen und Fahrten die Villa Hambuch im Mayengau -vermutlich auf der Verbindungslinie Sankt Goar-Prüm - erwähnt. Wahrscheinlich wird man für die Engerfahrten nach Schweich überwiegend die Römerstraße Trier-Köln benutzt haben, zumal die Höfe der zu den Engerfahrten nach Schweich verpflichteten Mansusinhaber in der Nähe dieser alten Römerstraße lagen. Die Engerfahrten von Cochem aus könnten ebenfalls zunächst über eine Römerstraße, die von Koblenz nach Trier, geführt worden sein. Auf den Eifelhöhen wenige Kilometer nördlich von Cochem verlief die von Altrich (bei Wittlich) herkommende wichtige Verbindung. Auf der Höhe von Wittlich mußte man dann die Römerstraße verlassen, um in nordwestlicher Richtung über die oben erwähnte "Weinstraße" durch den Bettenfelder Wald und an Mürlenbach vorbei nach Prüm zu gelangen. Denkbar erscheint auch eine Route über Ulmen, Boxberg (westlich Kelberg) und dann weiter über die alte Römerstraße Koblenz-Tongern bis Hillesheim, um dort in einem südwestlich gerichteten Bogen auf Prüm zuzulaufen. Dafür spricht die Erwähnung der Orte Kalenborn, Lissendorf, Sarresdorf und Büdesheim in Zusammenhang mit Engerfahrten oder Weinverkauf, da diese Orte alle in der Nähe der vermuteten Route liegen. [1]
Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale /
Wirtschaft, Gewerbe und Verkehr /
Straßenverkehr Zeit:
893 [Prümer Urbar]
Epoche:
Frühmittelalter / Romanik
Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.433674
lat: 50.329815
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: In Herrnbeuel
Internet
http://www.jahrbuch-daun.de/VT/hjb1999/hjb1999.110.htm
http://www.jahrbuch-daun.de/VT/hjb1999/hjb1999.110.htm
Datenquellen
[1] Werner Grasediek, Steffeln/Trier:"Weinstraße" Koblenz-Lütticher-Fernhandelsweg, in: Heimatjahrbuch Landkreis Daun 1999.
Bildquellen
Bild 1: Internet
Bild 2: Zeichnung: A. Trümper.
Stand
Letzte Bearbeitung: 10.04.2007
Interne ID: 11680
ObjektURL:
https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=11680
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