Profanierte Kapelle

Oberbillig, Gemeinde Oberbillig Kapellenstraße

Beschreibung
Objektbeschreibung:
Im alten Ortskern, am Rand einer etwa 20 Meter über Moselniveau gelegenen Terrasse liegt im Winkel der Kapellenstraße die profanierte, heute zum Wohnhaus umgestaltete Kapelle.

Erhalten ist:
Ein spätestens im 16. Jahrhundert errichteter, geosteter Rechteckbau mit den Außenmaßen, Länge: 10,65 m, Breite: 6,90 m mit 65 cm dicken Außenmauern aus Oberbilliger Kalkstein. In der östlichen Stirnwand ist im Innern eine 3,30 m breite, 3,50 m hohe und 30 cm tiefe Bogennische eingelassen, in der früher der Altar stand(1. Bild). In der westlichen Stirnwand ist noch die 1,26 m breite Eingangsöffnung mit ihren 1,80 m hohen Sandsteingewänden bis zu den Kämpfern (2. Bild) und in der nördlichen Längswand ein mit Sandsteingewänden eingefasstes rechteckiges Fenster mit einer lichten Höhe von 90 cm und einer lichten Breite von 58 cm und mit einer Brüstungshöhe von 1,60 m (3. Bild) . Zudem ist im Innern in der nördlichen Längswand in Augenhöhe ein 30 mal 30 cm großer Weihestein mit eingemeißeltem gleicharmigem Kreuz in einem Kreisring eingesetzt (4. Bild).

Erkennbar ist:
Der Saal hatte eine lichte Höhe von 4,30 m und eine flache Holzbalkendecke. In den beiden Längswänden gab es jeweils zwei Fenster in der Art des noch erhaltenen. Der Eingang in der westlichen Stirnwand war ein schmales insgesamt 2,40 m hohes Portal mit Kreisbogen. Das Gebäude hatte ein - wahrscheinlich mit Tonziegeln gedecktes- Satteldach.

Der Ortskern hatte sich aus einer römischen bäuerlichen Ansiedlung entwickelt. Diese Ansiedlung aus dem 2. Jahrhundert stand in enger Verbindung zu dem größeren Vicus auf der gegenüber liegenden Moselseite an der Sauermündung. Beide Siedlungen wurden im Mittelalter zu Billiacum im Herzogtum Luxemburg, daher kommen die heutigen Namen Wasserbillig und Oberbillig. Bereits 1254 wird das heutige Oberbillig als Filiale der parochia Billiacensis, der "Wasserbilliger Pfarrei" genannt. Demnach wird schon damals in Oberbillig eine Kapelle gestanden haben. In einem Visitationsbericht von 1570 werden als einziger Besitz der Kapelle ein Altar und ein Kelch aufgeführt. Ihre Patronin war die heilige Barbara. Sie zählt zu den Vierzehn Nothelfern und wird gegen Gewitter, Feuergefahr, Fieber, Pest und plötzlichen Tod angerufen. An den Festen der Heiligen Barbara (4. Dezember) und des Apostels Bartholomäus (24. August) sowie an den vier Quatembersamstagen, das sind die Samstage nach dem ersten Fastensonntag, nach Pfingsten, nach Kreuzerhöhung (14.September) und nach dem dritten Adventssonntag wurden Messen gefeiert. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Kapelle so sehr herunter gekommen, dass in der Visitation von 1713 das Interdikt, das Verbot Messen zu feiern ausgesprochen wurde und das solange bis sie Instand gesetzt und die notwendigen Paramente beschafft seien. Bereits im Folgejahr 1713 wurden 100 Taler für die Sanierung aufgewandt. Im August 1821 wurde Oberbillig, das seit 1816 zu Preußen gehörte, formell auch kirchlich von der Pfarrei Wasserbillig getrennt, jedoch noch weitere 50 Jahre von den Wasserbilliger Pfarrern verwaltet. 1864 wurde in Oberbillig der Bau einer neuen Kirche begonnen, die 1867 von Pfarrer Schumacher aus Wasserbillig geweiht wurde.

In den 1870er Jahren wurde die Kapelle profaniert und an den Landwirt und Winzer Peter Ferring -Eigner des benachbarten Hauses Küferstraße 6- verkauft. Der baute sie bald um, denn in seinem noch erhaltenen Quittungsheft der Provinzialfeuerversicherung wird sie bereits 1890 als Scheune aufgeführt. Im Einzel hat er im unteren Teil den Boden abgesenkt und ein 2,05 m hohes gemauertes Tonnengewölbe einbauen lassen. Als Zugang zu dem so entstandenen Keller diente der untere Teil des ehemaligen Portals, dessen Bogen abgetragen worden war, mit einer nach unten führenden achtstufigen Treppe. Auf dem Gewölbe lag eine horizontale Steinplattenabdeckung, die die Tenne der Scheune bildete. Um die für den Scheunenraum notwendige Höhe herzustellen, wurde die Balkendecke des Saales abgetragen. Als Zugang zur Scheune wurde die südliche Längswand aufgebrochen und ein Scheunentor eingebaut. In der nördlichen Längswand wurde als Zugang zum Garten eine Tür eingebaut. Bis in die 1990er wurde diese Scheune für landwirtschaftliche Zwecke genutzt.

Nach Veräußerung haben die Käufer die Scheune in ein Wohnhaus zur Eigennutzung umgebaut. Dabei wurde das Tonnengewölbe abgetragen, das Scheunentor unter Verwendung des alten Gewändes in den mehrgliedrigen Hauseingang umgebaut und in der westlichen Stirnwand das frühere Portal wiederhergestellt (5. und 6. Bild). Es wurde eine neue Stahlbetondecke eingezogen. Der untere Teil der ehemaligen Kapelle dient als Wohndiele, in der auch eine Holztreppe zu drüber liegenden Wohnräumen führt.

Das gesamte Wohnanwesen wurde 2003 vom Landkreis Trier-Saarburg im Wettbewerb "Vorbildliches Bauen im Landkreis Trier-Saarburg" prämiert. Dazu ein Zitat aus der Begründung der Preiswürdigkeit des Jurymitglieds Alois Peitz:
"Das Ergebnis: ein in die Ortslage feinfühlig integriertes Gebäude und eine im Detail hochwertige und zukunftsorientierte, handwerksgerechte Ausführung. Und vor allem: das Erlebnis zeitgemäßen Wohnens in der Spannung zwischen modernem Ausbau mit wechselnden räumlichen Erfahrungen, Durchblicken, überraschend gezielter Lichtführung und einem Altbau, der seine Geschichte als Dorfkirche und Scheune nicht leugnet."

Karl-Heinz Zimmer und Volker Berens, Oberbillig, September 2011

Quellen:
Festschrift der Pfarrgemeinde Sankt Barbara in Oberbillig zur Altarkonsekration am 25. November 1984, Aufmaß des Planungsbüros Vollmuth, Kanzem vom Juni 2000 und weitere Unterlagen des Eigentümers.

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Sakralbauten / Kapellen
Zeit:
1570
Epoche:
Renaissance

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.504604
lat: 49.711820
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Ortslage

Internet
http://www.oberbillig.de/

Datenquellen
Karl-Heinz Zimmer und Volker Berens, Oberbillig, 2011.

Bildquellen
Bild 1: © Volker Berens, Oberbillig, 2011.
Bild 2: © Volker Berens, Oberbillig, 2011.
Bild 3: © Volker Berens, Oberbillig, 2011.
Bild 4: © Volker Berens, Oberbillig, 2011.
Bild 5: © Karl-Heinz Zimmer, 2011. http://familiezimmer.net/khzsenior/parser/parser.php?file=/khzsenior/startseite.htm
Bild 6: © Karl-Heinz Zimmer, 2011. http://familiezimmer.net/khzsenior/parser/parser.php?file=/khzsenior/startseite.htm

Stand
Letzte Bearbeitung: 21.11.2011
Interne ID: 13875
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=13875
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