Franzosenkreuz

Dreis, Gemeinde Dreis-Brück

Beschreibung
Inschrift: 1812

[…] Im Flurdistrikt "Am Stöck" […] trägt ein kleines einfaches Kreuz die Jahreszahl 1812. Es erinnert an einen Dorfbewohner, in dessen Haus ein französischer Soldat einquartiert war, der der Hausfrau zu nahe trat. Im Streit erschoß der Bauer den Franzosen und sollte dann hingerichtet werden. Aber mit der Fürsprache des Pastors wurde er begnadigt. Zum Dank für diese Rettung ließ der Bauer ein Kreuz an der Stelle errichten, die beinahe seine Hinrichtungsstätte geworden wäre. [1]

Wie es 1812 in Dreis und Brück unter den Franzosen zuging und einer von ihnen ermordet wurde

Vom ersten Tag der französischen Besetzung bis zu deren Ende waren Dreis und Brück mit Einquartierungen der verschiedensten französischen Truppenverbände belegt. Diese mußten von den Dorfbewohnern mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden. Das führte dazu, daß die Dorfbevölkerung kaum noch genug zu Essen hatte und öfter Not litt. Die Männer des Dorfes wurden zu Frondiensten, wie Straßenbau, Vieh- und Pferdeversorgung, Brennholzbeschaffung und Hilfe beim Transport von Kriegsmaterial gezwungen, so daß zur Feldbestellung und zur Heuernte kaum Zeit blieb.

Da Dreis und Brück im südwestlichsten Zipfel des Arenbergschen Landes lagen, waren dort außer den Arenbergschen auch noch Besitzungen anderer Landesfürsten. Die Dreiser Burg gehörte den Manderscheid-Blankenheimer Grafen, der Wurmer Hof (Hof Wonnerich oder Wurmerich, die Versorgungebasis der Obereher Burg) bei Brück war derzeit Eigentum der Fürsten Mettemich von der Mosel. Außerdem gab es noch Besitzungen der Gerolsteiner, der Dauner und der Kasselburger Herren. Diese Besitztümer wurden enteignet und zu Gunsten der französischen Staatskasse verkauft oder versteigert. Wenn aber ein Käufer glaubte, die Franzosen mit dem von ihnen eingeführten Papiergeld bezahlen zu können, lag er falsch. Die Franzosen verlangten, die kompletten Kaufsummen, alle Steuern und Abgaben nur in Münzgeld zu bezahlen. Auch in Frankreich, im eigenen Heimatland, gab es Schwierigkeiten mit dem neuen Geld. Die Händler und die Bauern weigerten sich, ihre Ware für Papiergeld zu verkaufen, da das Papiergeld immer weniger Wert hatte. Zum Beispiel in Straßburg waren die Assignaten (Geldscheine) zu fünf Livres nur drei Livres wert und wurden von Bäckern, Metzgern und Wirten überhaupt nicht angenommen. Durch die der Bevölkerung und den Gemeinden auferlegten Kontributionen, Requisitionen, die extra für die besetzten Gebiete eingeführten Steuern und die Lasten der Einquartierungen wurden die Einwohner und die Gemeinden immer ärmer. Zwar waren die Abgaben an die Landesfürsten und die Frondienste für diese abgeschafft aber die Franzosen langten dafür um so kräftiger zu. Dazu kamen Religions- und Kirchenfeindlichkeit der neuen Machthaber. Die Sorge um das tägliche Brot wurde so groß, daß für kulturelle Werte kaum irgendwo noch ein freier Platz war.

In dieser Zeit gab es auch immer wieder schlimme Krankheiten, die zum Teil von den französischen Truppen eingeschleppt wurden und dann in der geschwächten Bevölkerung reichlich Nahrung fanden oder die durch die in Kriegszeiten sowieso mangelnde Hygiene verbreitet wurden. Eine der schlimmsten Krankheiten, die kaum ein Betroffener überlebte, waren die Blattern oder Pocken. Wenn ein Erkrankter doch geheilt wurde, erkannte er nachher durch die schlimmen und entstellenden Narben sein eigenes Spiegelbild nicht mehr.

Da hatten die Gemeinden Dreis und Brück das große Glück, daß in Dockweiler der Pfarrer Hubert Schmitz amtierte, der sich um die Schutzimpfung gegen die Pocken sehr verdient gemacht hatte. Er hatte vom Jahre 1800 bis etwa 1811 über achttausend Erwachsene und Kinder unentgeltlich geimpft und bekam dafür im Jahre 1806 von Napoleon als einziger Deutscher die Medaille d'honneur als Anerkennung für seine Dienste. In dieser Zeit hat sich dann auch die Geschichte mit dem Franzosenkreuz zugetragen. Diese soll sich folgendermaßen abgespielt haben:

In Dreis, an der alten Römerstraße in der Flur "Op Stöck" finden wir ein schlichtes altes Basaltkreuz mit der eingemeißelten Jahreszahl 1812. Mit diesem Kreuz hat es eine besondere Bewandtnis. Die alte Römerstraße, von der französischen Atlantikküste über Belgien, durch die Eitel nach Koblenz und weiter quer durch die deutschen Länder nach Osten wurde, auch noch von den französischen Truppen, die gen Russland marschierten, als Heerstraße genutzt. Viele der Truppen, die über diese Straße zogen, machten in Dreis ihre Ruhepausen. So kamen immer wieder neue Einquartierungen ins Dorf. Aus dieser Zeit berichtet T. Baur folgende Begebenheit:

Als gegen Mitte Februar der Schnee plötzlich geschmolzen war, kamen täglich neue Truppen der Franzosen durch Dreis. Nach diesen ersten einzelnen Trupps folgten dann lange endlose Kolonnen Kavallerie, Jäger und Artillerie. Wenn dann die Truppen nach einer Nacht Ruhe wieder abrückten, blieben immer einige zurück, die fußkrank geworden waren oder durch das naßkalte Wetter schwere Erkältungen davongetragen hatten. Von der Artillerie und der Kavallerie waren gar manche zurückgeblieben, weil die Pferde dringend Schonung haben mußten. Diese Nachzügler machten sich bald breit im Dorf und raubten und requirierten auf eigene Faust, was sie nur gebrauchen konnten. Und das war nicht wenig. In der Dreiser Burg wurde nun eine Marschkommandatur eingerichtet. Dadurch kam allmählich etwas Ordnung m die Verhältnisse. Als nun Ende Februar wieder starker Frost mit Schneefall eingesetzt hatte, war das Dorf sehr schnell wieder von französischen Truppen übefüllt. Da es so viele Quartiere im Dorf nicht gab, mußten viele der Soldaten an den Lagerfeuern im Freien kampieren. Die Not im Dorf wurde immer größer. Es fehlte bald an allem, durch die vielen zu versorgenden Pferde gingen Heu und Stroh zur Neige. Für frisches Grün war es noch zu früh im Jahre. Der Bestand an Hühnern und anderem Kleinvieh ging immer mehr zurück. Getreide zum Mahlen und Brotbacken war so gut wie nicht mehr vorhanden und es bahnte sich eine schlimme Hungersnot an.

Im Unterdorf wohnte der Tagelöhner und Holzhauer Lorenz Billigen. Während Lorenz meist im Wald arbeitete, blieb Annemarie, seine Frau, mit der alten kranken Mutter alleine im kleinen Häuschen zurück. Dieses war bisher von Einquartierung verschont geblieben, weil es schon für die Familie Billigen zu klein war. Am Tage vor dem Palmsonntag waren neue Truppen, die 12. Chasseurs, ins Dorf eingerückt. Da es sehr viele waren, hatte man die fußkranken Soldaten in der Kapelle untergebracht. Der Maire (Bürgermeister) war von Haus zu Haus gegangen und hatte Stroh in die Kapelle bringen lassen, da man die Soldaten nicht auf den nackten Steinboden der Kapelle legen konnte. Lorenz Billigen sollte mit den anderen Holzhauern in den Wald gehen, denn es mußte Holz für die Lagerfeuer der Franzosen geschlagen werden. So gingen denn Lorenz und sein Freund Josef trotz des sehr schlechten Wetters hinaus, um das notwendige Holz herbeizuschaffen. Förster Stohl (?) kam nach, um zu sehen, wieweit die Arbeit gediehen war, denn es waren schon wieder neue Truppen im Dreis angekommen. Da im Dorf beim besten Willen kein Platz mehr war, mußte im Steinbruch an der Steinley an einer geschützten Stelle ein provisorisches Lager aufgeschlagen werden. Schon kamen die Fuhrwerke heran, die das Holz zu den Lagerfeuern bringen sollten. Es waren viele Soldaten dabei, die schon in Spanien und in Ägypten mitgekämpft hatten, also wärmeres Wetter gewohnt waren und die hiesige Kälte sehr schlecht vertragen konnten. Die Wagen wurden im Wald schnell beladen, dann ging es zurück ins Dorf. Die Holzhauer begleiteten die Wagen und mußten immer wieder anschieben, denn die schweren Fahrzeuge blieben in dem aufgeweichten Boden immer wieder stecken.

Auf der Kreuzstraße, vor Fasens Wirtschaft (Schwedenschänke, heute Schlagbaum) (Anm.: Wilma Herzog: In diesem Haus wurde 1900 der Lehrer und Heimatforscher Willi Steffens geboren, er starb 1978 in Daun) standen haufenweise fremde Soldaten aller Gattungen. Die Gaststätte war überfüllt und die Marketenderwagen, die man im Hof hinter dem Torbogen aufgestellt hatte, waren dicht umlagert. In allen möglichen Sprachen ging es recht laut zu. Auch alle mögliche Gesindel und lockere Frauenzimmer waren dabei. Lorenz ging müde von der anstrengenden Arbeit zu seinem Häuschen im Unterdorf. Als er über die Hausschwelle in die Küche trat, hörte er aus der Kammer die Hilferufe seiner Frau. Er stieß die Türe auf und gewahrte im Halbdunkel einen französischen Korporal, der seiner Annemarie Gewalt antun wollte. Mit einem Satz sprang er zurück in die Küche, ergriff die Axt, die er grade dort abgestellt hatte und ohnmächtig vor Wut schlug er auf den Wüstling ein. Annemarie fiel in Krämpfe. Lorenz lief schnell zur Hebamme und holte sie zur Hilfe, da seine Frau bald ein Kind erwartete. Die alte Margrit kam herbei und kümmerte sich um die Frau. Lorenz ging in die Burg, um dem Kommandanten zu melden, was sich zugetragen hatte. Er gestand, daß er den Soldaten erschlagen habe. "Das wird Euch euer Leben kosten", sprach der Oberst aufgeregt. Als Lorenz mit dem Oberst und einem weiteren Offizier sein Häuschen betrat, war die Hebamme immer noch damit beschäftigt, die Annemarie ins Bewußtsein zurückzurufen. Man brachte den Erschlagenen weg. Da sprach Lorenz zu dem Oberst: "Hättet Ihr nicht auch so gehandelt, wenn Ihr an meiner Stelle gewesen wäret?" Der Kommandant, der die deutsche Sprache gut beherrschte, gewährte dem Lorenz noch die Bitte, daß er seine Frau ins Haus der Hebamme bringen konnte, wo sie auf alle Fälle ein gutes Obdach hatte. Lorenz aber wurde in einem kleinen Raum der Burg zu zwei Franzosen eingesperrt, die dort ihren Arrest zu verbüßen hatten.

Am anderen Morgen ging die Schreckensnachricht von Haus zu Haus. Man stand umher und sprach von den Ereignissen des gestrigen Abends. Die Arbeit ruhte. Die Leute eilten zur Kapelle, um zu beten. Sie mußten vor der Kapelle bleiben, da ja drinnen die kranken Soldaten lagen. Um diese Zeit stand Lorenz vor den fremden Richtern. Am Mittag schallte dumpfer Trommelwirbel durch das Dorf. Ein Offizier ritt inmitten einiger Soldaten zur Hauptstraße und verlas dort das Urteil erst in französischer und dann in deutscher Sprache. Lorenz Billigen war zum Tode durch Erschießen veRuhrteilt worden und das Urteil sollte noch am gleichen Abend vollstreckt werden. Das Entsetzen im Dorf war groß. Keiner aß an diesem Tage etwas zu Mittag, keiner wollte sein Haus verlassen, überall in den Häusern wurde gebetet. Später fand man sich auf Anraten des Bürgermeisters an der Kapelle zusammen. Dem Pfarrer in Dockweiler hatte man von dem Geschehen Mitteilung gemacht. Pfarrer Schmatz war entsetzt. Er ging mit dem Küster zur Kirche, nahm das Allerheiligste und eilte nach Dreis, um dem VeRuhrteilten beistehen zu können. Aber schon bewegte sich von Dreis herauf hinter der Eskorte der Franzosen eine lange Prozession, laut betend. Den alten Richtplatz der Dörfer Dreis, Dockweiler, Brück und Oberehe, "op Stöck" hoch über dem Dreiser Weiher, der von den vier Dörfern aus einsehbar war, hatte der Oberst auch zum Richtplatz bestimmt. Lorenz schritt aufrecht inmitten der französischen Eskorte, die von einem Offizier angeführt wurde. Die Hände waren ihm nicht gebunden. Am Richtpfahl angekommen, ertönten die Kommandos. Die Eskorte präsentierte, und der Offizier verlas nochmals das Urteil. Lorenz stand ungebrochen da. Seine Gedanken waren bei seiner Frau, die nichts von seiner VeRuhrteilung wußte. Pfarrer Schmitz war, um nicht zu spät zu kommen, schon querfeldein gelaufen. Er kam gerade an, als das Urteil verlesen wurde. Sofort schritt er auf den Oberst zu und sprach mit ihm, denn er beherrschte die französische Sprache sehr gut. Er bat zunächst, dem VeRuhrteilten Worte der Stärkung sagen zu dürfen, um ihm dann die Beichte zu hören und die Kommunion zu spenden. Das wurde ihm bewilligt, denn der Offizier war auch ein Katholik. Der Geistliche gab dem VeRuhrteilten das Sterbekreuz in die Hand und trat dann abermals zu dem Offizier und bat um das Leben des rechtschaffenen Mannes, der doch nur die Ehre seines Weibes retten wollte. Der Pfarrer bat so inständig, daß nicht nur der Oberst, sondern auch die Soldaten gerührt waren. Erst als der Pastor seinen Umhang über die Schulter zurückschlug und der Offizier den hohen Orden auf seiner Brust erblickte, wurde er anderen Sinnes.
(Es war die Medaille d'honneur, die Pastor Schmitz von Napoleon für seine Verdienste bei der Pockenimpfung erhalten hatte.) Lorenz kniete vor dem Richtpfahl und der Pastor neben ihm. Der Oberst ließ dann die Prozession näher treten und gab den Befehl, präsentieren zu lassen. Laut sprach er dann "Im Namen der französischen Nation, Lorenz Billigen ist frei! Er ist begnadigt."
Da ging ein Schrei der Freude durch die Menge. Der Geistliche und Lorenz traten zu dem Oberst, gaben ihm die Hand und drückten ihren Dank aus. Die Anwesenden stimmten den Lobgesang an "Großer Gott wir loben Dich!" Kein Auge blieb trocken.

In dem Steinbruch an der Steinley wurde ein großer Stein gebrochen und daraus ein schlichtes Kreuz gemeißelt. Auf diesem Basaltkreuz erblicken wir heute noch die Jahreszahl 1812. An der Stelle, wo Lorenz Billigen den Tod erleiden sollte, hat man es hingestellt, zum Dank für seine wunderbare Rettung.

Heute steht in unmittelbarer Nähe ein neuer Gedenkstein mit einer kurzen erläuternden Inschrift.

Von dieser Geschichte gibt es noch eine zweite Version:
Der Oberst wollte den Lorenz trotz der Bitten von Pastor Schmitz nicht freigeben und die Entscheidung Napoleon selbst überlassen. Da schrieb Pastor Schmitz einen Brief, packte seinen Orden dazu und sandte einen Eilboten zu Napoleon. Lorenz wurde bis zur Entscheidung in der Dreiser Burg eingesperrt. Es herrschte große Freude, als der Bote nach etwa drei Wochen zurückkam und nicht nur die Begnadigung für Lorenz, sondern auch den Orden für Pastor Schmitz wieder mitbrachte. [2]

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Sakralbauten / Bildstöcke und Kreuzwegstationen
Zeit:
1812
Epoche:
Klassizismus

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.778338
lat: 50.257477
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Am Stöckergraben

Internet
http://www.dreis-brueck.de/

Datenquellen
[1] Georg Jakob Meyer und Klaus Freckmann: Wegekreuze und Bildstöcke in der Eifel, an der Mosel und im Hunsrück.
[2] Dieter Nebendorf (1933-2001), Dreis-Brück.

Bildquellen
Bild 1: © Gabriele Drückes, Dreis-Brück, 2013.
Bild 2: © Eva-Maria Mischke, Dreis-Brück, 2013.

Stand
Letzte Bearbeitung: 19.08.2013
Interne ID: 14626
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=14626
ObjektURL als Mail versenden