Ehemalige Bildhauerei Mettler

Morbach, Gemeinde Morbach Unterer Markt 1

Beschreibung
Gasthaus: um 1905/10 erbaut. Repräsentativer, zweieinhalbgeschossiger Putzbau mit Werksteingliederung, die Mittelachse des Obergeschosses sowie Kniestock und Zwerchhaus in Zierfachwerk. [1][2]

Oberammergau des Hunsrücks
Nach 100 Jahren erlosch die Morbacher Holzschnitzkunst in der Bildhauerei Mettler

Der Ursprung der ehemaligen Bildhauerei und Kunstschreinerei Mettler am Unteren Markt geht auf das Jahr 1866 zurück. Damals gründete der Landwirt Johann Mettler (geboren 1835) in der Biergasse eine kleine Schreinerei, in der Truhen, Betten, Bänke Stühle und Tische für den täglichen Gebrauch hergestellt wurden.

Als er merkte, dass sein 1875 geborener Sohn Johann, wie er auch künstlerisch begabt war, schickte er ihn nach seiner Lehre als Schreiner in seinem elterlichen Betrieb (heutiges Lederwarengeschäft Sibylle Gerhard) zur Weiterbildung nach Münster in die Bildhauerschule, wo er mehrere Jahre als Figurist arbeitete. Dort lernte er die Maler Hermann Humpert und Wilhelm Terwei sowie die Bildhauer Heinrich Nußbaum und Friedrich Wilhelm Bonnekoh kennen, die er nach Morbach in den elterlichen Betrieb mitbrachte. Diese Künstler arbeiteten eine Zeitlang in ihrer Werkstatt und machten sich später selbstständig.

Mit der Übergabe des Betriebes an seinen Sohn blühte um die Jahrhundertwende die Morbacher Holzschnitzkunst richtig auf. Nachdem die Schreinerwerkstatt in der Biergasse zu klein geworden war, entstand am Unteren Markt, angelehnt an das alte Pfarrhaus, ein Neubau mit einer Kunstschreinerei und Bildhauer- und Malerwerkstatt, dessen Fassade und Balkon reichlich mit Schnitzereien versehen wurde und heute noch als Schmuckstück das Ortsbild prägt. Nach dem Neubau des jetzigen Pfarrhauses kaufte sein Sohn Johann das alte Pfarrhaus nebenan, und baute zur Verschönerung später einen Erker an, den er mit vielen Schnitzereien, auf dem Foto links noch zu sehen) verzieren ließ. Das alte Pfarrhaus mit diesem prachtvollen Erker, gegenüber der heutigen Baldenau Apotheke, wurde wegen der Verbreiterung der Straße 1972 leider abgerissen.

Aus Platzmangel wurde 1922 das Gebäude zur Biergasse hin harmonisch erweitert. Daraufhin entwickelte sich für den Ort ein bedeutsames Kunsthandwerk, die so hervorragende Bildhauer wie Kikartz, Bach, Kälble und Hoffmann, sowie Kipfer als Faßmaler (Polychromeur) anzog. 1930 gesellten sich die namhaften Bildhauer Rudolf Höfle und Klaus Rothe von der Fachschule für Holzschnitzkunst in Oberammergau, und einige Jahre später Maximilian Winneberger, hinzu. Zudem verdienten sich einige begabte Schreiner aus den umliegenden Ortschaften dort ihr Brot.

Während des Zweiten Weltkrieges hatte der Betrieb schwere Zeiten durchzustehen. 1939 starb sein Sohn Franz-Josef im Alter von 27 Jahren, der mit seinem Bruder Roland die Kunstakademie in München besucht hatte. Ein Jahr später folgte ihm sein Vater. Außer diesen Schicksalsschlägen machten die Machthabern des Dritten Reiches ihnen das Leben schwer. weil ihnen die Herstellung und der Vertrieb kirchlicher Kunstgegenstände ein Dorn im Auge war.

Wirtschaftlicher Aufstieg
Nach dem Krieg erreichte die Bildhauerei ihre Blütezeit. Viele Kircheneinrichtungen im Rheinland waren durch den Krieg beschädigt oder zerstört worden, die von ihnen restauriert oder erneuert wurden. Aber auch Weinlokale und Gaststuben im Köln und Düsseldorfer Raum, ließen ihre Einrichtungen aus Massivholz oder Furnierhölzern von ihnen anfertigen. Ein Zeugnis Morbacher Holzschnitz und Schmiedekunst wurde 1958, in Zusammenarbeit mit der Schmiedewerkstätte Johann Schieber aus Morbach hergestellt, nämlich die weltbekannte Schneider-Wibbel-Spieluhr, ein Wahrzeichen in der Düsseldorfer Altstadt. Aber auch aus der näheren Umgebung erhielt der "Kirchenmettler, wie er von den einheimischen genannt wurde, zahlreiche Aufträge für die Herstellung von Kirchen- und Kommunionbänken, Beichtstühlen, Kreuzwege, Sakristeimöbel und Altäre in Auftrag. Die weit über den Hunsrück hinaus gelieferten Kunstgegenstände brachten Morbach damals den Namen "Oberammergau des Hunsrücks" ein. Nach 100 Jahren endete die strahlende Epoche der Morbacher Bildhauerei und Holzschnitzkunst.

Bildbeschreibung: Dieses Foto aus dem Jahre 1965, stellt noch den ganzen Gebäudekomplex mit dem reichlich verzierten Holzerker (links) dar, der 1972 abgerissen wurde. [3]

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Wirtschaft, Gewerbe und Verkehr / Versorgung, Gasthöfe, Hotels
Zeit:
Um 1905/10
Epoche:
Historismus / Jugendstil

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 7.121435
lat: 49.810569
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Ortslage

Internet
http://www.hermann-bohn.de/

Datenquellen
[1] Denkmalliste des Landkreises Bernkastel-Wittlich, Juni 2008.
[2] Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich, Fachbereich Beraten, Planen, Fördern. Postfach 1420, 54504 Wittlich.
[3] Hermann Bohn, Morbach, 2015.

Bildquellen
Bild 1: © Hermann Bohn, Morbach, 2015. http://www.hermann-bohn.de/
Bild 2: © Hermann Bohn, Morbach, 2015. http://www.hermann-bohn.de/
Bild 3: © Hermann Bohn, Morbach, 2015. http://www.hermann-bohn.de/
Bild 4: © Hermann Bohn, Morbach, 2015. http://www.hermann-bohn.de/
Bild 5: © Hermann Bohn, Morbach, 2015. http://www.hermann-bohn.de/
Bild 6: © Hermann Bohn, Morbach, 2015. http://www.hermann-bohn.de/

Stand
Letzte Bearbeitung: 03.04.2015
Interne ID: 14957
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=14957
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