Weißhaus
Trier-West/Pallien, Stadt Trier Weisshaus 1
Beschreibung
Die klassizistische Villa Weißhaus spiegelt vielleicht mehr als jedes andere klassizistische Gebäude die politischen und wirtschaftlichen Wechselfälle der Stadt Trier wider. Bereits im 17ahrhundertstand an ihrer Stelle das sog. Weisshäuschen, eine kleinere Hütte, die zunächst im Besitz der Gemeinde Pallien war, dann ab 1773 der Stadtgemeinde Trier gehörte und verpachtet wurde. Um 1820 wurde die Hütte als Teil eines Landgutes, das den Bereich des Gutes Schneidershof (heute Fachhochschule) und des Gutes um das sog. Mergener Grünhäuschen (heute Drachenhaus und Tierpark) umfasste, vom damaligen Trierer Oberbürgermeister Wilhelm von Haw (1783-1826) erworben. Von Haw ließ den mehrere hundert Morgen umfassenden Gesamtbering unter großem Aufwand aufforsten, legte Gärten an, darunter auch eine Schäferei im dazugehörigen Biewertal. Das Weisshäuschen wurde abgerissen und an seiner Stelle entstand die Privatvilla von Haws, die um 1823 fertiggestellt wurde. Kurz darauf wurde auch das alte Mergener Grünhaus - vor der Säkularisation im Besitz des Klosters Sankt Marien (Mergen = Trierisch für Marien) - durch ein neues Ökonomiegebäude (s. dazu: Drachenhaus) ersetzt. Der Weißhauswald und die Gärten standen schon zu Lebzeiten von Haws den Bürgern der Stadt offen.
Nach dem Todes des Besitzers wurden Villa und Ländereien 1863 vom Statthalter des Großherzogtums Luxemburg, Prinz Heinrich der Niederlande erworben, der die Anlage weiterhin für Besucher offen hielt, instand setzte und den Neubau einer weiteren, privaten Villa projektierte, die jedoch aufgrund seines plötzlichen Todes im Jahr 1879 nicht realisiert wurde. Um den Verkauf an Privatpersonen und damit den möglichen Verlust eines öffentlichen Erholungsparks zu verhindern, wurde 1879 die Aktiengesellschaft Weißhaus-Verein von wohlhabenden Trierer Bürgern gegründet. Der Verein sollte das Gut verwalten, als öffentlichen Ort zugänglich halten und die Villa als Lokal vermieten. Nicht ohne Schwierigkeiten beim Verkauf der Anteilscheine zu 1 00 Mark (immerhin war Kaiser Wilhelm 1. mit 10 Anteilscheinen dabei), trug man schließlich nach und nach, durch das wohlwollende Nachsehen der Trierer Bankiers gestützt, die Schuldsumme weitestgehend ab.
Welche Bedeutung man dem Weißhaus für die Freizeitkultur des 19. Jahrhunderts zumaß, läßt sich an folgendem Satz aus einer öffentlichen Verlautbarung des Vereins ablesen: Der Fremde, der nach der altehrwürdigen Kaiserstadt kommt, fragt nach den römischen Alterthümern und nach dem Weißhaus (Laufner, 1982).1881 wurde die Villa nach Verbesserung der Zuwege, Instandsetzungen des Gebäudes und der Anlage einer Gartenterrasse verpachtet und der Restaurantbetrieb eröffnet. 1901 wurde eine heute nicht mehr erhaltene Glashalle zur Restaurationszwecken hinzugefügt. Im ersten Weltkrieg wurde das Weißhaus als Genesungsheim des Roten Kreuzes genutzt, 1919 ging das gesamte Gut in städtisches Eigentum über. Nach 1945 fand sich kein Pächter mehr für das Restaurantgebäude. Das Kronjuwel im Trierer Stadtbild (Laufner, 1982) drohte in den 70er Jahren zu verfallen. Nachdem sich 1981 in einer Stadtratssitzung die Bauherrengemeinschaft Weißhaus zusammenfand, um die alten Ideen des Weißhaus-Vereines aus dem 19. Jahrhundert wieder zum Leben zu erwecken, wurde der Bestand des wertvollen klassizistischen Gebäudes gesichert und 1984 um einen neuen, betont zeitgenössisch gestalteten Restaurantanbau ergänzt. Die gleichzeitig angelegte Kabinen-Schwebebahn vom rechten Moselufer zum Weißhaus fungiert als zusätzliche Attraktion und Beförderungserleichterung von der Stadt zum Weißhaus.
Die 1823 fertiggestellte Villa Weißhaus liegt auf den hohen Sandsteinfelsen des linken Moselufers oberhalb des alten Vorortes Pallien und bietet einen einzigartigen Panoramablick auf die gegenüberliegende Stadt. Der betont schlicht gehaltene, zweigeschossige Bau weist lediglich zur Stadtseite hin eine differenziertere, durch Schmuckformen betonte Fassadengestaltung auf. Dem französisch geprägten Erscheinungsbild des Monaiser Schlosses und der Villa Nell im Tiergarten setzt die Villa Weißhaus einen deutlich von preußisch-klassizistischer Bauweise beeinflußten Stil, der sich auch am dazugehörigen Ökonomiegebäude Drachenhaus findet, entgegen. Da der Bauherr Oberbürgermeister im nunmehr preußischen Trier war, verwundert dies nicht. Der Bau ist circa 12 Meter lang und circa 7 Meter tief. Aufgrund einer leichten Hanglage ist die dreiachsige Repräsentationsfassade dreigeschossig, die Seitenachsen sowie die Gebäuderückseite sind zweigeschossig. Im Untergeschoß finden sich 3 leicht ins Mauerwerk eingelassene rundbogige Türen mit Oberlichtlünetten, deren mittlere vermauert ist und lediglich als Nische fungiert. Untergeschoß und Erdgeschoss werden durch ein einfaches, den Baukörper umlaufendes Gesimsband geteilt. Im Erdgeschoss sind drei hochrechteckige Fenster angeordnet, darüber ein umlaufendes Fensterbankgesims. Di e Mittelachse tritt in den beiden unteren Fassadengeschossen leicht vor.
Die Beletage des Obergeschosses ist differenzierter gestaltet: als Schmuckträger fungiert hier die Mittelachse, die - im Gegensatz zu Untergeschoß und Erdgeschoss leicht zurücktritt. Ein vorspringender Balkon mit schmiedeeisernem Gitter in der Breite der Mittelachse wird von vier Konsolen auf Pinienzapfen getragen. An den Seitenflächen der Konsolen befinden sich Blütenkranzmotive, die schmalen Frontseiten sind kanneliert, als oberen Abschluß tragen die Konsolen eine skulptierte Blume. Hinter dem Balkon in der Mittelachse wird, durch vier aufgemauerte Pilaster mit stilisierten Blattkapitellen und einem halbrunden, aufgemauerten Fenstersturz mit floralen Motiven über dem Mittelfenster, eine Serliana simuliert. Zwischen oberen Seitenfenstern und Dachtraufe verläuft ein drittes Gesimsband, das jedoch in der mittleren Achse ausgespart ist. Im eher flachen Walmdach befinden sich auf beiden Seiten je zwei kleine Dachgauben. Der zum Haus gehörende klassizistische Brunnen liegt ein wenig tiefer am Fußweg zum Weißhauspark (s. Beitrag Weißhausbrunnen, S. 98). Zur Zeit der Erbauung des Weißhauses war Johann Georg Wolff Stadtbaumeister in Trier. Die Orientierung an dem damals prominentesten Trierer Architekten zeigt sich auch im Weißhaus. Der einflußreiche Bauherr Bürgermeister Wilhelm von Haw hielt sich beim Bau seiner suburbanen Villa an einen von Wolff in Trier eingeführten und an Berliner Bauvorgaben orientierten preußischen Klassizismus.
Jeannette Kohl
Einordnung
Ersteller, Baumeister, Architekt, Künstler:
Wolff, Johann Georg (Stadtbaumeister), Trier [1789-1861] Schmitz, Josef, Traben-Trarbach (1984 Restaurant)
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale /
Wohn- und Wirtschaftsgebäude /
Bürgerliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude Zeit:
1823
Epoche:
Klassizismus
Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.633807
lat: 49.768699
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Beim Weißhaus
Internet
http://www.weisshaus-trier.de/
Datenquellen
Klassizismus in Trier. Photos aus der Sammlung Prof. Wilhelm Deuser. Katalog des Städtischen Museums Simeonstift Trier zur Ausstellung vom 21.1. bis 6.3.1994. Hrsg. Richard Hüttel und Elisabeth Dühr.
Bildquellen
Bild 1: © Dr. Marcus Schneider, Trier, 2023.
Bild 2: Abbildung: Johannes Oberdorf, Städtisches Museum Simeonstift, Trier
Bild 3: Abbildung: Johannes Oberdorf, Städtisches Museum Simeonstift, Trier
Bild 4: © Helge Rieder, Konz, 2000
Bild 5: © Helge Rieder, Konz, 2000
Bild 6: http://www.flickr.com/photos/libaer2002/
Stand
Letzte Bearbeitung: 16.08.2023
Interne ID: 2045
ObjektURL:
https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=2045
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