Alte Synagoge
Schweich, Stadt Schweich Richtstraße / Bahnhofstraße
Beschreibung
Rückwärtig der Straßenfront auf beengtem Grundstück platzierte und von einer Stichgasse zugängliche Synagoge, der sich rückwärtig die nur teilweise erhaltene ehemalige Judenschule anschloss. Um 1862 nahe der älteren Synagoge errichteter verputzter Sandsteinbruchbau. Die 1938 in der Reichspogromnacht verwüstete Synagoge wurde bis zum Erwerb durch die Stadt Schweich 1938 als Lagerraum benutzt und 1987 bis 1989 innen und außen renoviert und unter Einbeziehung der ehemaligen Judenschule mit einem Zwischentrakt als Kulturstätte wiederhergestellt. Im Inneren ein Saal mit Voutendecke, Pilastergliederung und dreiseitig umlaufender Frauenempore. Diese und die Ornamentmalerei wurde nach Befund wiederhergestellt, der Bodenbelag und die Fenster rekonstruiert. Die Schweicher Synagoge ist eines der wenigen Beispiele für einen sich an den zeitgenössischen Sakralbau anlehnenden Synagogenbau. [1]
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts muss in Schweich eine kleine jüdische Gemeinde existiert haben, da im Jahre 1776 ein Judenbegräbnisplatz Erwähnung findet.
Im beginnenden 19. Jahrhundert expandierte die jüdische Gemeinschaft so, dass sie im Jahr 1820 an der Ecke Richtstrasse und Bahnhofstrasse eine Synagoge errichteten. Das Gebäude findet im Flurbuch der Gemeinde Schweich Erwähnung.
Die Straßenecke Richtstrasse / Bahnhofstrasse zeigt heute ein traufständiges Gebäude mit schiefergedecktem Satteldach und abgerundeter Gebäudeecke.
Die Fassade wurde mittels eines in Traufnähe umlaufenden neoromanischen Rundbogenfrieses, und seinen Lisenen in drei Wandflächen gegliedert. An der Traufe zeigt sich noch heute ein, in rotem Buntsandstein gefertigtes Würfelgesims. Die in Sandstein gefassten, ehemaligen Rundbogenfenster waren den jeweiligen Nutzungsebenen zugeordnet. Das Erdgeschoss diente Schulungszwecken, während sich im Obergeschoss ein nach Osten orientierter Betraum für etwa 25 - 30 Personen befand. Der Zugang zum Gebäude war damals an der abgerundeten Gebäudeecke.
Nachdem die preußische Regierung um 1848 die Bildung von Synagogengemeinden anordnete, spendeten zwölf jüdische Familien für den Bau einer neuen, größeren Synagoge sowie für eine neue Schule, Geldmittel.
1858 wurde Schweich zum Hauptsynagogenort für den ganzen Landkreis Trier bestimmt. Der Vorstand dieser Mittepunktsynagoge hatte seinen Sitz in Schweich.
Die Synagoge der ehemaligen jüdischen Gemeinde zu Schweich, ein rechtwinkliger Bau mit den Abmessungen 17,6 x 9,4 Meter, wurde zwischen 1862 und 1872 errichtet. Das genaue Erstellungsdatum ist unbekannt.
Das Gebäude wurde in zweiter Reihe, hinter der Richtstrasse - Bebauung, erbaut. Die Synagoge erreichte man durch eine kleine Gasse, einer Hinterhofsituation vergleichbar. Auf Grund der dichten traufständigen Bebauung der Richtstrasse sowie deren östlichen Ausrichtung ist die Synagoge nicht unmittelbar zu erkennen.
Ostansicht:
Der Ostgiebel wird mittels eines eingearbeiteten neoromanischen Blendbogenfrieses dreizonig aufgeteilt. Die Blendbogen ruhen auf kleinen profilierten Buntsandsteinkonsolen. Giebelachsig ist ein rundes Fenster, das sogenannte Sonnenfenster, flankiert von Rundbogenfenstern, angeordnet.
Westansicht:
Die Westfassade, gleichsam Eingangs-Ansicht, erfährt ihre dreizonige Gliederung durch einen, dem Ortgang folgenden Neo-Romanischen Blendbogen-Fries, auf profilierten Sandsteinkonsolen ruhend, und seinen Lisenen.
Die, wie an der Ostansicht angeordneten Rundbogenfenster - Sandsteingewände, beinhalten lediglich ein rundes Fenster, welches zur Belichtung der Frauenempore dient. Die gleiche Funktion übernimmt das, auf der Giebelachse orientierte, gekoppelte Rundbogenfenster über dem Eingang. Unterhalb dieses Fensters, in Brüstungshöhe, zeigt sich ein in Bosse gehaltener (unfertiger) Sandsteinblock.
Seitenansichten:
Die, sich gleichenden Seitenansichten, wurden durch vier gleich große, leicht zurückspringende, in Sandsteingewände eingefasste Rundbogenfenster gestaltet. Zum Bau der Synagoge wurden örtliche Baumaterialien verwandt, vorwiegend roter Sandstein. Während das Sandsteinmauerwerk verputzt war, blieb der bearbeitete Sandstein der Gewände, der Blendbogenkonsolen und das zweifach, in Kastenform erstellte, Trauf- und Ortganggesims sichtbar.
Der Innenraum:
Die Synagoge zeigt sich im Inneren als ein circa 13 x 8 Meterroßer Saal. Mit im Westen vorgelagertem Vorraum, durch diesen führt eine hölzerne Treppe zur Frauenempore hinauf, die an den Längswänden, auf hölzernen, verputzten Konsolen ruhend in den Gebetsraum hineinragt. Über der Innentür erblickt man ein Spruchband mit hebräischem Text. Er lautet:
Wie liebenswert ist deine Wohnung, Herr der Heerscharen. (Psalm 84,2).
Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Wir segnen Euch vom Hause des Herrn her ! (Psalm 118,26). Rechts neben der Innentür befand sich ein Wasserbehälter für die rituelle Handwaschung. Am rechten Türrahmen war in Kopfhöhe die Mesusa angebracht, die jeder beim Eintritt mit der Hand berührte. Die Mesusa ist eine längliche Metallhülse mit einem aus reiner Tierhaut hergestellten Pergamentröllchen, auf der das Glaubensbekenntnis der Juden, das Sch'Ma Israel, stand.
Der Fußboden bestand aus Sandsteinplatten und war mit Teppichen ausgelegt. Vor dem Almemor, dem Vorlesepodium, standen zwei Piedestähnliche Säulchen, die vermutlich den Beginn des heiligen Bezirkes andeuteten. Auf dem von einem gedrechselten Stabgeländer umgebenen Podium befand sich ein dachförmiges Pult zum Vorbeten und Vorsingen in Ostrichtung und von der anderen Seite zum Vorlesen der heiligen Schrift und Predigen. In der Mitte der Ostwand erhob sich, über drei oder vier Stufen erreichbar, der mit Elfenbein und Gold verzierte Thoraschrein in klassizistischem Stil.
Auf dem Geländer zum Thoraschrein erhoben sich achtarmige Leuchter - die siebenarmigen waren den Tempeln vorbehalten. Vor dem Thoraschrein hing von der Decke herab ein Lüster mit Glasketten und die Ewige Lampe (Ner Tamid). Über den Seiten der Gottesdienstbesucher hingen sechs, in italienischem Barockstil gehaltenen, für je 8 - 10 Kerzen konzipierte, Kronleuchter. Zusätzlich spendeten elf Wandleuchter mit je zwei Kerzen Licht. Zu den beiden Seiten standen die Sitzbänke, im vorderen Bereich für zwei bis drei und im rückwärtigen Teil für mehrere Personen. Die flache, zu den Wänden hin leicht gewölbte Decke war von Anfang an bemalt. Acht geometrische Felder auf himmelblauem Grund. Grünliche Blattränder und goldene Zierlinien rahmen sie ein. In den ziegelroten Schnittpunkten der Bänder sieht man den Davidstern - ein Symbol, das die jüdische Mystik übernommen hat. Die zwei sich durchdringenden Dreiecke symbolisieren das Miteinanderverwobensein der sichtbaren mit der unsichtbaren Welt. Die goldenen Sterne, die aus dem Blau des Firmaments herableuchten, sind Hinweis auf Gottes Schöpfermacht, Gegenwart und Heiligkeit, an die auch die Weihrauchgehäuse an den mit leichtem Gewölk ringsum bemalten Seitenwölbungen der Decke erinnern. Früher waren die Ecken der Decke mit stilisiertem Pflanzenwerk ausgemalt.
Das Rundfenster (Okulus) in der Deckenwölbung über dem Thoraschrein lässt wie auch malerisch angedeutet das Licht der aufgehenden Sonne einfallen, womit symbolisch das Licht des Heils gemeint war, das von Jerusalem ausgeht und das der Messias am Ende der Zeit allen Völkern bringen soll - ursprünglich füllte ein neunzackiger Stern die Mitte des Fensters aus. Die Seitenwände waren farblich nicht überladen. Lichte Weiß-, Grau, Ocker- und Grüntöne wechselten einander ab. Nur die profilierten Leisten der Stucklisenen hoben sich farblich etwas kräftiger davon ab. Dagegen war der schulterhohe Sockelanstrich zuletzt umbrafarben und zur Auflockerung mit einem weißen Webmuster übermalt.
Die auf den Seiten gabelförmig in den Raum vorgezogene Empore hatte eine Brüstung aus gedrechselten Stäben. Von hier aus verfolgten die Frauen und Mädchen den Gottesdienst der Männer.
Am 10. November 1938 wurde die Inneneinrichtung des Gotteshauses von einer Nazirotte in Zivilkleidung mit Äxten und Brechstangen zerstört, geplündert und hinausgeworfen.
Ein Jahr später wurde die Zwangsversteigerung des Synagogenanwesens angeordnet, aber im März 1940 wieder zurückgezogen, weil inzwischen ein notarieller Kaufvertrag zwischen dem letzten Vorsteher Nathan Kahn und dem Landwirt Josef Schloder abgeschlossen war. Nach dem Frankreichfeldzug dienten die Synagoge und die kleine Schule als Unterkunft für französische Kriegsgefangene, später auch für russische und serbische. 1945, nach Kriegsende, war das Schulgebäude eine Zeitlang mit deutschen Kriegsgefangenen unter französischer Bewachung belegt.
Im Zuge der Wiedergutmachung wurde das Gebäude 1950 von der neuen jüdischen Kultusgemeinde Trier gerichtlich zurückgeklagt. Da nach dem Kriege keine Juden mehr nach Schweich zurückgekehrt waren, hatte die Trierer Kultusgemeinde keine entsprechende Verwendung mehr, und bot es der Raiffeisenbank Schweich zum Kauf an. Es diente dann von 1951 bis 1984 als Warenlager für Bauern- und Winzerbedarf. Am 3. September wird die restaurierte Synagoge ihrer neuen Funktion als Kultur- und Tagungsstätte übergeben. [2]
Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale /
Sakralbauten /
Synagogen Zeit:
1820
Epoche:
Klassizismus
Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.752977
lat: 49.824176
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Ortslage
Internet
http://www.stadt-schweich.de/
Datenquellen
[1] Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Kreis Trier-Saarburg)
[2] Robert Reichard / Thomas Heidenblut: Synagogen im Landkreis Trier-Saarburg. 2000 und Gedenkstein für die jüdischen Gemeinden in Yad Vasem / Israel
Bildquellen
Bild 1: © Reichard / Heidenblut; Synagogen Im Landkreis Trier-Saarburg. 1998
Bild 2: © Reichard / Heidenblut; Synagogen Im Landkreis Trier-Saarburg. 1998
Bild 3: © Willi Körtels
Stand
Letzte Bearbeitung: 23.02.2022
Interne ID: 2213
ObjektURL:
https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=2213
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