Sogenanntes Metzgerskreuzchen

Trier-West/Pallien, Stadt Trier

Beschreibung
Auf dem Gelände der Mariensäule stand [...] bis zur Erbauung der Säule ein älteres, kleines Steinkreuz, zuletzt 1849 erneuert. Hier ließen die Trierer Metzgerzunft sowie die Wollweberzunft alljährlich am ersten Donnerstag in der Fastenzeit ein brennendes Rad den Steilhang hinunterrollen. Sollte das Rad in die Mosel stürzen, spendierte der Trierer Kurfürst angeblich den Zünften ein Fuder Wein. Aus diesem Grund hieß das Kreuz 'Metzgerskreuzchen'. Das Metzgerskreuzchen mußte dem Bau der Mariensäule weichen. Als Ersatz ließ das Baukomitee der Säule ein neues, das heutige 3,50 m hohe Sandsteinkreuz dicht an der Abhangkante errichten. Seine Inschrift erinnert an die Einweihung der Mariensäule 1866. [1]

Der Markusberger Hofmann, ein alter Brauch und die Trierer Metzgerzunft

Das "Feuerradrollen", ein am ersten Fastensonntag im Trierer Land (z.B. in Pellingen und Franzenheim) verbreiteter Frühlingsbrauch, hat seinen Ursprung in vorchristlicher Zeit. Mit ihm wird das Ende der kalten, dunklen Winterzeit angekündigt. Das brennende Rad symbolisiert den Frühlingsbeginn, die wiederkommende Sonne.

In Trier fand er 1779 unter Mitwirkung der Metzgerzunft (-innung) zum letzten Male statt. Das heute auf dem Pulsberg, hart am Abgrund vor der 1866 erbauten Mariensäule stehende "Metzgerkreuz" damals hier wieder neu errichtet, steht in direktem Zusammenhang mit diesem Brauch. Das Vorgängerkreuz hatte für den Bau der Mariensäule weichen müssen. Diese steht nun auf der Stelle, die auch der Ausgangspunkt der brennenden Räder hinunter Richtung Mosel war. Eine detaillierte Schilderung der letzten Durchführung des "Feuerradrollens" im Jahre 1779 gibt uns eine Vorstellung von dem aufwändigen Schauspiel.

Zum Start wurde am ersten Donnerstag in der Fastenzeit eine große Birke bei diesem Kreuz aufgestellt. Am darauf folgenden ersten Fastensonntag zog die Zunft der Metzger und die der Wollenweber bewaffnet und mit Musik begleitet aus der Stadt hinaus, die Metzger zu Pferd als Dragoner, die Wollenweber zu Fuß als Grenadiere. Während die Metzger bis zum Berg ritten, blieben letztere auf der Moselbrücke (Römerbrücke) zurück.

Von der Höhe des Berges wurde ein mit brennenden, teergetränkten Stoffen umwickeltes, angezündetes Rad herabrollen gelassen - sicher ein beeindruckendes Schauspiel! Wenn es gelang, dieses Rad bis in die Mosel zu treiben, so hatte der jeweilig regierende Kurfürst, bzw. sein Statthalter in Trier, den beiden Zünften ein Fuder Wein zu überlassen. Der ganze Aufzug endete im Zunfthaus der Wollweber in der heutigen Weberbachstraße und wie berichtet wird: "...unter fleißigem Leeren der Gläser erst spät in der Nacht".


Zu diesem Brauch gibt es viele ausführliche Veröffentlichungen, die aber nichts über die Herstellung und Lieferung der Räder aussagen. Diese Fragen beantwortet ein im Trierer Stadtarchiv aufbewahrtes Dokument aus dem Jahr 1754 der Erben des Philipp Schneider, der Hofmann (Verwalter) des Markusberger Hofgutes war.

Am 2. März 1754 gaben vor dem „Kayserlichen Churtrierischen Notarius“ Zimmerman die beiden Töchter Barbara, Witwe des Wilhelm Otto, und Maria, Frau des Jacob Kuhn, sowie der Schwiegersohn Franciscus Mayer, eine aufschlussreiche "Declaration" (Erklärung) ab:
Die beiden Töchter erklärten, daß die Metzger-Zunft aus Trier zweimal mit ihrem verstorbenen Vater gegen Bezahlung vereinbart hatte, dass das Rad, wenn es brach, ganz bezahlt werden müsse. Nach dem Herabrollen des Rades seien die Metzger mit dem Rad und dem "Aufzug" zu ihrem Amtshaus gezogen. Der Vater sei jedes mal mitgegangen und habe sich mit den Metzgern "recreiiret", wohl gemeinsam gefeiert!

Franciscus Mayer, Schwiegersohn des verstorbenen Philip Schneider, der im Jahre 1754 Hofmann vom "Marxberg" war, bestätigte die Erklärungen der beiden Töchter und berichtete zusätzlich, dass sein verstorbener Schwiegervater nach dem zünftigen Feiern mit leeren Taschen nach Hause gekommen war.

Aus der Urkunde: "...mit den metzgern umbgegangen, und sich mit denen selben erlustiget, auch hätte er des abends, als nacher haus gekommen, seine säck mit gritzelen gefülter voll nacher haus gebracht." (Laut „Rheinisches Wörterbuch“ Bd. II bedeutet Gritzel auch: rein nichts).

Warum aber erhoben die Töchter erst am 2. März 1754 ihren Anspruch auf den vereinbarten Lohnanspruch ihres verstorbenen Vaters? Das letzte Radrollen lag zu diesem Zeitpunkt mindestens ein Jahr zurück! Eine naheliegende Erklärung dürften aktuelle Anfragen und Verhandlungen mit den Metzgern gewesen sein. Denn, sollten die Metzger 1754 die Durchführung des Brauches geplant haben, war es Zeit mit dem Markusberger Hofmann die Herstellung der Feuerräder zu vereinbaren. Zwei Tage nach den Erklärungen der Erben begann schließlich im selben Jahr am 4. März die Fastenzeit und zum 1. Fastensonntag hätten die Räder fertig und einsatzbereit sein müssen. Da liegt es nahe, dass die Markusberger Familie erstmal auf Begleichung der alten Forderungen drängte. Für die Lieferung der unverzichtbaren "Feuerräder" hätten die Metzger "...bei ihren Vatteren gegen bezahlung gelohnet" wie die Töchter des Markusberger Hofmann erklärten und sogar die Beeidigung anboten: "...ihre declaration, falß nöthig, mit einem leiblichen eyd zu bestätigen sich erbiethen" so vom Notar niedergeschrieben.

Leider ist der Ausgang der mehr als 250 Jahre zurückliegenden Geschichte unbekannt. Aber die authentischen Erklärungen und Schilderungen des alten Brauches durch die damals Beteiligten sind ein Glücksfall. Sie bestätigen nicht nur die bekannten Beschreibungen des Brauches, sondern ergänzen diese um ein interessantes Detail.

Albert Bebelaar

Anmerkungen:
Das Hofgut, der „marx-hof“, einschließlich Kapelle, waren seit Ende des 17. Jahrhunderts bis Ende des 18.Jahrhunderts im Besitz des Trierer Sankt Annenklosters.
Quellen:
Geschichte des Trierischen Landes und Volkes, Johann Bernardy 1877, Trierer Nationalblatt
vom 16.2.1934, Des Moselthals Sagen,Legenden und Geschichten, Fr.Menk 1840, Stadtar-
chiv Trier Sig DVH/430a, Wikipedia [2]

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Sakralbauten / Bildstöcke und Kreuzwegstationen
Zeit:
1866
Epoche:
Historismus / Jugendstil

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.620118
lat: 49.760245
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Pulsberg

Internet
http://de.wikipedia.org/wiki/Trier-West/Pallien

Datenquellen
[1] Fontaine, Arthur:
Die Marienstätten am Trierer Markusberg. Das Ensemble von Mariensäule, Mariahilf-Kapelle und Stationsweg. Kliomedia, 2010.
[2] Albert Bebelaar in: Stadtteilzeitschrift Überbrücken - Neues aus Trier-West/Pallien. Ausgabe 4-21.
https://www.caritas-region-trier.de/hilfe-und-beratung/lebensraeume/stadtteilarbeit/quartiersmanagement-trier-west/quartiersmanagement-trier-west

Bildquellen
Bild 1: Ansichtskarte um 1907.
Bild 2: © Norbert Kutscher, Waldweiler, 2011.

Stand
Letzte Bearbeitung: 23.01.2022
Interne ID: 24683
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=24683
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