Ruine der Niederburg - Burgkapelle, Grafenglocke
Ausgestellt im Heimatmuseum Manderscheid
Niedermanderscheid, Stadt Manderscheid (Bernkastel-Wittlich) Zur Turnierwiese
Beschreibung
Irrweg der Manderscheider Grafenglocke
- Förderverein des Heimatmuseums erwirbt historische Glocke -
In der 1958/59 errichteten Kapelle des Üdersdorfer Ortsteils Trittscheid, die von einem Bergvorsprung weithin sichtbar ins Tal grüßt, hing die so genannte "Grafenglocke". Zusammen mit zwei 1961 gegossenen Glocken, ließ sie ihr Geläut bis 2015 zu vielen Anlässen erklingen. Die Grafenglocke läutete bereits in der alten Sankt Thekla-Kapelle aus dem Jahre 1774, die in der Dorfmitte - in der Nähe des heutigen Gemeindehauses von Trittscheid - stand und in den 60er Jahren abgerissen wurde. Auf dem Dach des alten Gotteshauses war ein kleines, unscheinbares Türmchen aufgesetzt, dass das Glöckchen beherbergte.
Nun gab es im Mittelalter weder in Üdersdorf, noch in Trittscheid ein Ritter- oder Grafengeschlecht, dass für die Kapelle eine Glocke hätte stiften können. Warum wurde sie "Grafenglocke" genannt?
Die Grafen von Manderscheid, als Herren der Niederburg, ließen bereits 1426 eine Burgkapelle errichten, die auch heute noch mit Giebel, rundem Chorabschluss und Altarstein deutlich sichtbar ist. Graf Dietrich und seine Frau Irmgard belehnten sie 1433 mit dem Zehnten zu Gipperath. Außerdem stiftete die gräfliche Herrschaft eine Wochenmesse, die der Pastor der Großpfarrei Laufeld, zu der Niedermanderscheid gehörte, lesen musste. Vermutlich erfüllte der Pastor oder Vikar aus der nahen Kirche Buchholz diese Verpflichtung, denn er konnte in einer dreiviertel Stunde Fußweg Niedermanderscheid erreichen. Obwohl die Grafenfamilie nicht mehr auf der Burg wohnte, ließ Graf Philipp Diedrich von Manderscheid-Kail 1650 eine Glocke für die Burgkapelle gießen. Sie ist 40 cm hoch, 40 kg schwer und trägt das Wappen von Manderscheid-Kail und wurde wahrscheinlich, wie es damals üblich war, vor Ort gegossen, denn die Glockengießer waren nicht sesshaft oder hatten ein Werkstatt.
Die französischen Raubkriege 1673 und 1689 die Eroberungskriege Ludwig XIV. hinterließen Spuren der Verwüstung rund um Manderscheid. Dabei wurden auch die beiden Burgen stark in Mitleidenschaft gezogen. 1673 wurde die Niederburg von französischen Truppen unter General Fourille in Brand geschossen. Die Burg und damit auch die kleine Kapelle verfielen immer mehr, so dass auf Antrag des Laufelder Pastors die Burgkapelle für Gottesdienste geschlossen wurde. Die kleine Glocke kam in den Wirren der Zeit in den Glockenturm nach Buchholz. 1857 goss Glockengießer Mark (Brockscheid) ein neues Geläut für die Buchholzer Pfarrkirche.
Das Glöckchen der Burgkapelle nahm er wahrscheinlich in Zahlung. Die Trittscheider verfügten über keine Glocke in ihrer Kapelle. Aus der Glockengießerei Mark gelangte sie nach 1857 in die Thekla-Kapelle nach Trittscheid.
Mehr als 160 Jahre begleitete sie in der Filialkapelle Üdersdorf-Trittscheid mit ihrem Klang Freud und Leid, Taufen, Hochzeiten und Sterbefälle. Bei kirchlichen Festen rief sie zum Gottesdienst und erklang auch bei Feuersbrunst und Naturgewalten. Bis vor kurzem läutet sie als so genannte Totenglocke, wenn jemand im Dorf verstorben war.
Durch einen Artikel des Verfassers im "Manderscheider Bürger- und Familienbuch" über die Kapelle der Niederburg wurde der Manderscheider Heimatverein auf das Glöckchen aufmerksam. Jürgen Neuhaus hatte die Idee, den Trittscheidern eine neue Glocke als Ersatz anzubieten und das für Manderscheid historische Glöckchen wieder in seine angestammte Heimat zu überführen. Die Pfarrei Üdersdorf und die Trittscheider Dorfgemeinschaft, die keine emotionale Bindung an die "Grafenglocke" hatten, stimmten dem Tausch an die Pfarrei Manderscheid zu, die die Glocke wiederum als Dauerleihgabe dem Museum zur Verfügung stellte. So konnten viele Manderscheider und Besucher des Heimatmuseums am 7. Oktober 2015 ein Kleinod Bestaunen, das gereinigt seine ganze Pracht an Ornamenten und Schrift entfalten konnte.
Mit ihrer Inschrift erinnert sie 365 Jahre nach ihrem Guss mit der Glockenaufschrift an den Stifter:
VON JESUS BLEIB ICH RECHT WOLGENANT - PHILIPS DIEDERICH GRAFF IM LANT 1650
Durchmesser 42,5 cm, ca. 40 kg, Ton as''+3
Unter der Aufschrift befindet sich ein gevierteiltes Wappen, vermutlich das Wappen der gräflichen Familie. Es zeigt eingefasst von Helm und Helmzier in der oberen Hälfte vorne den Manderscheider Zickzackbalken, hinten das Dauner Gitter, unten die gleichen heraldischen Figuren in umgekehrter Reihenfolge. In der Mitte aufgelegt ein Herzschild mit einem Löwen, belegt mit einem Turnierkragen. [1]
Quellen:
August Meyer: Geschichte dreier Eifeldörfer – Üdersdorf – 1986.
Die Burgen von Manderscheid – Rheinisches Land – Kleine Reihe – Verlag Fischer, Wittlich.
Ernst Wackenroder: Die Kunstdenkmäler des Kreises Daun – Nachdruck der Ausgabe 1928.
Friedbert Wißkirchen: "Kreuze, Kapellen und Epitaphe in und um Manderscheid" in: Karl Oehms: Manderscheid – Bürger und Familienbuch – Köln 2012.
Festschrift: 100 Jahre Eifelverein Ortsgruppe Manderscheid - 1969.
Das vierte Bild zeigt den Giebel der Burgkapelle auf der Niederburg. [Anm. d. Red.]
Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale /
Sakralbauten /
Kapellen Zeit:
1650
Epoche:
Renaissance
Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.817864
lat: 50.091505
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Auf der Burg
Internet
http://www.manderscheid.de/
Datenquellen
[1] Friedbert Wißkirchen, Daun, 2015.
Bildquellen
Bild 1: © Friedbert Wißkirchen, Daun, 2015.
Bild 2: © Friedbert Wißkirchen, Daun, 2015.
Bild 3: © Friedbert Wißkirchen, Daun, 2015.
Bild 4: © Friedbert Wißkirchen, Daun, 2015.
Stand
Letzte Bearbeitung: 18.11.2015
Interne ID: 39513
ObjektURL:
https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=39513
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