Hungersteine in der Mosel

Litzig, Stadt Traben-Trarbach An der Mosel

Beschreibung
Hungersteine sind bei Niedrigwasser im Flussbett oder auf Gewässergründen sichtbar werdende große Steine. Benannt sind sie nach der mit Dürrezeiten in Verbindung stehenden Gefahr einer Hungersnot.

Auch in der Schifffahrt können niedrige Wasserstände für die Binnenschiffer Notzeiten bedeuten. Hungersteine sind oft mit Jahreszahlen oder Inschriften versehen, um an Niedrigwässer zu erinnern, im Gegensatz zu Hochwassermarken, mit denen Höchstwerte von Hochwassern festgehalten werden.

Die Geschichte der Hungersteine reicht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Überliefert sind frühe Jahresinschriften von 1417, 1473, 1616, 1654, 1666 u. a. Ins allgemeine Bewusstsein traten sie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Darstellungen in Zeitungen und Reiseberichten.

Diese Steine markieren zu Zeiten "als es noch keine meteorologischen Stationen gab" die Jahre der Dürre, wie besonders 1842 oder 1893, so berichtete 1893 die Linzer Tages-Post. Sie nannte sie "die Marken der niedrigsten Wasserstände in dürrsten Jahren, eine eigenartige meteorologische Chronik", und stellte fest, dass es nicht nur die Elbe betrifft, sondern auch Flüsse wie Fulda und Weser.

Traben-Trarbach-Litzig, linke Flussseite: Material: Schiefer. Früher wurden dort traditionell, wenn der Stein erschien, Weinflaschen vergraben und beim nächsten Niedrigwasser wieder herausgeholt. Heute wegen der Stauregulierung nicht mehr sichtbar. [1]


"Hungersteine" hatten die Traben-Trarbacher das Massiv in der Mosel getauft. Wenn die Felsen sich aus dem Fluss erhoben, waren die Sommer heiß und trocken, das Vieh darbte auf den Weiden, die Ernte fiel mager aus, schlechte Zeiten standen bevor. Zugleich war das Auftauchen der beiden rund 50 bis 60 Meter langen Felsmassive, die in der Mitte etwa zwei Meter breit waren, auch immer ein besonderes Spektakel für die Bürger.

Im Jahr 1842 hatte die Casinogesellschaft einen besonderen Einfall: Sie ließ eine Kammer in das Gestein hauen und legte eine Flasche Wein mit einer Urkunde hinein. Stolz verlieh sie dem Massiv den Namen "Trarbacher Casinofelsen". Fortan wurde in trockenen Sommern, wenn der Fels wieder auftauchte, kräftig gefeiert. Der Wein wurde entnommen und eine neue Flasche eingelagert. Groß war das Entsetzen im Jahr 1869: Ein dreister Dieb war flinker und hatte die Flasche gestohlen. Für Hinweise setzte die Gesellschaft damals eine Belohnung von drei Talern aus; ob der Spitzbub gefasst werden konnte, ist nicht überliefert.
"Die Litziger Bürgergesellschaft folgte spätestens 1911 dem Brauch und legte eine eigene Kammer im Fels an", weiß Max-Werner Knod, Vorsitzender der Gesellschaft des einstigen Fischerdorfs, die 1904 als Genossenschaft beim Amtsgericht eingetragen wurde. Die beiden Männergesangvereine der Stadt sowie der Trabener Kriegerverein beteiligten sich gleichfalls mit eigenen Kammern. Nach den Aufzeichungen war der Fels von 1857 bis 1949 zwölfmal begehbar.
Offensichtlich nahm der Wein keinen Schaden. So ist in der Trarbacher Zeitung nachzulesen, dass Bademeister Nicola Mendgen im September 1943 unter der Wasseroberfläche eine Kammer fand und sie öffnete. Der Wein des Jahrgangs 1920 habe noch gut geschmeckt.
1959 ragte der Fels letztmalig aus der Mosel. Als der Wein sein Verlies verließ, stimmte der Gesangverein 1837 Traben-Trarbach vom Ufer aus frohe Lieder an. Dessen heutiger Vorsitzender, Albert Sonntag, erinnert sich noch daran.

Die Kanalisierung des Flusses 1963 machte dem Spektakel ein Ende; ein Teil des Felsens wurde gesprengt, seine Reste liegen heute tief verborgen im Wasser und tauchen auch bei abgelassenem Wasser während der Schleusenarbeiten oder in trockenen Sommern nicht mehr auf. Albert Sonntag glaubt, dass 1959 noch einmal Wein einzementiert wurde. Sofern er nicht der Sprengung zum Opfer fiel, dürfte er noch heute in der Mosel liegen. [2]

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Marken und Male /
Zeit:
1842
Epoche:
Klassizismus

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 7.12698
lat: 49.95183
Lagequalität der Koordinaten: Vermutlich
Flurname: [Mosel]

Internet
https://www.volksfreund.de/region/mosel/hungersteine-wurden-einst-mit-wein-gefuellt_aid-5299184

Datenquellen
[1] Seite "Hungerstein (Gewässergrund)". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 22. August 2018, 06:58 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hungerstein_(Gew%C3%A4ssergrund)&oldid=180226440 (Abgerufen: 24. August 2018, 22:07 UTC)
[2] Gerda Knorrn-Belitz in: Trierischer Volksfreund vom: 22. Mai 2013 https://www.volksfreund.de/region/mosel/hungersteine-wurden-einst-mit-wein-gefuellt_aid-5299184


Stand
Letzte Bearbeitung: 26.08.2018
Interne ID: 47917
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=47917
ObjektURL als Mail versenden