Moseltypisches Quereinhaus
Niederemmel, Gemeinde Piesport Kettergasse 17
Beschreibung
Mein Elternhaus.
Ich wurde 1949 in Niederemmel in der Kettergasse, Haus Nr. 52 geboren.
Mein Elternhaus ist ein moseltypisches Quereinhaus, 14,5 Meter breit und 11,4 Meter tief. Dabei handelt es sich um "ein Einhaus, das Wohn- und Wirtschaftsräume (Scheune und Stallungen) eines bäuerlichen Betriebes in einem massiven langgestreckten Gebäude vereint, das meist mit der breiten Front zur Straße steht." Baumaterial der Außen- und tragenden Wände ist der heimische Bruchschiefer, die Fassade durchbrochen von Fenstern und der Türöffnung (mit der kunstvoll geschnitzten massiven Eichentür), die in Sandsteingewänden gefasst sind. Man erkennt noch in regelmäßigen Abständen die Löcher vom Baugerüst. Über der Eingangstür ist eine Nische mit der Muttergottes. Sie schützte das Haus und seine Bewohner. In der Mitte des Torbogens der Scheuneneinfahrt ist die Figur eines Dudelsackspielers eingebaut. Seine Bedeutung ist mir unbekannt. Eingedeckt war das Krüppelwalmdach mit dem ortstypischen Moselschiefer. Unter dem Dach gab es eine Räucherkammer.
Dieses Haus wurde 1900 von meinen Vorfahren erbaut. Mein Großvater mütterlicherseits wurde 1893 geboren. Sein Vater Peter Breit, Bauer und Winzer, starb am 22.04.1900 im Alter von nur 34 Jahren. Seine Witwe Maria Breit geb. Keppeln, musste meinen Opa und seine ein Jahr jüngere Schwester Maria Magdalena alleine großziehen. Vermutlich hatte aber mein Uropa noch den Bau des Hauses angestoßen. Der Dorfname meiner Urgroßmutter war Wachsspänisch (die Vorfahren stellten nebenbei Kerzen her, bevor Thomas Alva Edison 1879 die Glühbirne erfand). Erbaut wurde das Haus im Jahre 1900, also in dem Jahr, als mein Uropa starb.
Um diese Zeit wurde rechts der Mosel die 102 km lange Kleinbahnstrecke von Trier nach Bullay von der Moselbahn AG gebaut. Am 2. April 1903 begann der Betrieb von Trier, wo sich die Endstation vor dem Staatsbahnhof auf der
Straße befand, bis Leiwen. Eine Eröffnungsfeier fand erst am 28. Mai 1903 statt, als die Züge bis Niederemmel weiterfahren konnten. Zum Jahresende hatte der Schienenstrang am 29. Dezember 1903 den Bahnhof Andel (heute
Stadtteil von Bernkastel-Kues) erreicht, wo der Betriebsmittelpunkt angelegt wurde. Erst am 15. März 1904 wurde bis Bernkastel gefahren und am 19. August 1905 das letzte Teilstück bis Bullay vollendet. Dieses Haus stand genauso vorher auf der Minheim gegenüberliegenden Moselseite, wo der Minheimer Bahnhof später gebaut wurde. Genau hier verliefen die geplanten Bahngleise und es wurde zum Abriss freigegeben. Baumaterial war begehrt und mein Uropa kaufte dieses Haus zum Abriss. Wichtige Bauteile wie Holzbalken und Sandsteingewände wurden gekennzeichnet, damit sie an der richtigen Stelle wieder verwendet werden konnten. Diese Markierungen sind heute noch zu erkennen.
Unter dem Wohnhausteil befindet sich ein großer Gewölbekeller. Der hintere Teil ist Weinkeller, im vorderen Bereich wurden früher Kartoffeln und andere Vorräte gelagert. Ein in den Schieferfels getriebener tiefer Brunnen diente in den frühen Jahren der Wasserversorgung. Vermutlich gab es um 1900 noch keine zentrale Wasserversorgung. Als Kind hat man mir erzählt, dass der Brunnenschacht so tief wie der Kirchturm hoch sei. Damit wollte man mich davon fern halten. Der rechte Teil des Hauses war Wirtschaftsteil mit Traubenkelter und Stallungen für Kühe und Schweine. Der obere Teil war Heuspeicher. Vor dem Stall befanden sich Jauchegrube und Misthaufen und das Plumpsklo. Links vom Haus auf einem schmalen Grundstücksstreifen wurde ein Anbau aus Tuffsteinen angefügt. Dieser diente als Eisenlager, da die Witwe Breit zusätzlich zu ihrem Bauern- und Winzerbetrieb noch mit Eisen handelte. Hinter dem Haus gab es verschiedene Anbauten (Waschküche mit Backofen, Holzlager, Schweinestall, Hühnerstall, Schuppen), die im Laufe der Zeit immer wieder Veränderungen erfuhren.
Dieses wie die benachbarten Grundstücke gehörten den Vorfahren aus der Longuich-Linie. 1947 erhielt mein Opa im Rahmen der Erbteilung das Haus, Lena bekam das alte Elternhaus am Römerbrunnen. Mitte der 1950er Jahre wurde zwischen dem ehemaligen Eisenlager und dem Wohnhaus Verbindungen auf 2 Etagen gebrochen und der Anbau als Küche und im OG als Bad umgebaut. In den 1960er Jahren erhielt das Dach eine große Gaube für den Heuaufzug. Damit wurde das Einbringen der Heuernte wesentlich erleichtert. Als in den 1970er Jahren die Straßen kanalisiert wurden erhielten sie auch neue Namen. Obwohl eine Bundesstraße, behielt sie den bis dahin gebräuchlichen Namen „Kettergasse“ und die Hausnummer 17. Vorher waren die Häuser fortlaufend nummeriert und unser Haus hatte die Nummer 52. Anfang der 1980er Jahre wurde der rechte Wirtschaftsteil des Hauses ebenfalls zu Wohnzwecken umgebaut. Vorher wurde der bäuerliche Betrieb eingestellt und man konzentrierte sich auf den Weinbau.
1978 ging das Haus im Zuge der Erbteilung auf meinen Bruder über. Die Ehe blieb kinderlos und das Haus wird nach dem Tode meiner Mutter im Januar 2021 vermutlich nach 120 Jahren im Familienbesitz einen neuen Eigentümer
finden. [1]
Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale /
Wohn- und Wirtschaftsgebäude /
Bäuerliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude Zeit:
1900
Epoche:
Historismus / Jugendstil
Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.922166
lat: 49.876614
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Ortslage
Internet
http://www.piesport.de/
Datenquellen
[1] Günter Kettern, Konz, 2021.
Bildquellen
Bild 1: Sammlung Günter Kettern, Konz, 2021.
Bild 2: Sammlung Günter Kettern, Konz, 2021.
Bild 3: Sammlung Günter Kettern, Konz, 2021.
Stand
Letzte Bearbeitung: 07.12.2021
Interne ID: 51312
ObjektURL:
https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=51312
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