Stolperstein für Katharina Metzdorf
Oberbillig, Gemeinde Oberbillig Moselstraße 15
Beschreibung
Inschrift:
HIER WOHNTE
KATHARINA
METZDORF
GEB. WELSCH
JG. 1890
EINGEWIESEN 1936 MERZIG
1939 WEILMÜNSTER
'VERLEGT' 19.6.1941
HADAMAR
ERMORDET 19.6.1941
AKTION T4
Das ist die Inschrift des Stolpersteins, den der Künstler Gunter Demnig am 18. März 2924 in Oberbillig vor dem Haus Moselstraße 15 - wo früher das Haus der Familie Metzdorf stand - zum Gedenken an die ermordete Frau Katharina Metzdorf geb. Welsch verlegt hat. Der 1947 in Berlin geborene, heute im hessischen Alsfeld-Elbenrod ansässige Kunstpädagoge hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Erinnerung an in der NS-Zeit verfolgte und ermordete Menschen wach zu halten.
Es waren Millionen deutsche Mitbürger und Bürger aus den eroberten Ländern: Juden, Sinti und Roma, Kranke und Behinderte, Homosexuelle und viele andere, die nach der damaligen NS-Ideologie nicht zur ethnisch reinen und gesunden Volksgemeinschaft gehörten, und die daher zu eliminieren waren. Bald nach der Übernahme der Macht im Jahr 1933 haben die Nationalsozialisten die bereits in der Weimarer Republik propagierte Idee der „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“, mit der das Lebensrecht von Menschen mit psychischen Erkrankungen und geistigen oder körperlichen Behinderungen in Frage gestellt wurde, aufgegriffen, und deren Umsetzung zielstrebig betrieben. Zu diesem Zweck wurde in Berlin in der Tiergartenstraße 4 eine Zentraldienststelle eingerichtet, die mit mehreren nachgeordneten Tarnorganisationen den Massenmord im Großdeutschen Reich organi-sierte. Dieses mörderische Unternehmen ging unter den Begriff „Euthanasiemorde - Aktion T4“ in die Geschichte ein. Sechs Heilanstalten wurde zu Tötungsanstalten - mit Gaskammern und Verbrennungsöfen - ausgebaut, die Anfang 1940 „in Betrieb“ gingen. Vorausgegangen war eine Erhebung mittels 200.000 Fragebögen, die an alle Heilanstalten versandt worden waren. Aus den Antworten haben ärztliche Gutachter mindestens 70.293 Anstaltspatienten und -patientinnen mit geistigen und körperlichen Behinderungen selektiert, die den Tötungsanstalten zugewiesen und bis Spätsommer 1941 ermordet worden sind. Die entscheidenden Kriterien für die Aussonderung waren „Arbeitsunfähigkeit“ und „Unheilbarkeit“.
Für Westdeutschland war die Landesheilanstalt Hadamar Mönchberg als letzte „Euthanasie“-Anstalt im Reich ab November 1940 zur Tötungsanstalt umgerüstet worden. Im Folgejahr 1941 kamen dort von Januar bis August 10.072 Patienten und Patientinnen ums Leben. Diese kamen nicht unmittelbar aus ihren Stammanstalten sondern aus sogenannten „Zwischenanstalten“. Zwischenanstalten für Hadamar waren die Heilanstalten in: Andernach, Eichberg, Galkhausen, Herborn, Kalmenhof, Nassau-Scheuern, Weilmünster, und Wiesloch. Dort warteten die „Todgeweihten“ unter menschenunwürdigen Umständen auf ihre Überstellung nach Hadamar. Ab Januar 1941 wurden sie nach und nach von den in Hadamar stationierten „Grauen Bussen“ der „Gekrat“ abgeholt. In Hadamar angekommen wurden die Kranken einem Arzt vorgeführt, der die letzte Entscheidung traf, weiterhin wurden sie fotografiert und ihre Personalien wurden überprüft. Danach wurden sie in Gruppen in die als Bad getarnte Gaskammer geführt und ermordet. Anschließend wurden ihre Leichen verbrannt; die Asche wurde aufgehäuft.
Zur Beurkundung der Tötungen war in der Anstalt eigens das „Sonderstandesamt Hadamar-Mönchberg“ eingerichtet worden. Es stellte Sterbeurkunden aus, in denen das Sterbedatum und auch die Unterschrift des Standesbeamten bewusst gefälscht waren. Eine besondere Verwaltungsabteilung versandte per Post „Trostbriefe“ an die Angehörigen. Darin wurde eine vom Arzt ausgewählte falsche Todesursache an-gegeben, und der Tod als Erlösung von unheilbaren Leiden dargestellt. Zudem wurde den Angehörigen in der Regel auf Wunsch Asche in einer Zinkurne zugesandt.
Seit 2000 verlegt Gunter Demnig vor dem letzten Wohnplatz der Ermordeten und Verfolgten im Gehsteig die von ihm entwickelten „Stolpersteine“ in Form von Gedenktafeln aus Messing. Er sagt: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Bisher hat er in 1265 Gemeinden in Deutschland und in 21 Ländern Europas 105.000 Stolpersteine verlegt (Stand April 2024).
Katharina war am 16.02.1890 in Oberbillig als drittes von acht Kindern des Schifferehepaares Nikolaus Welsch und Elisabeth, geb. Wirtz geboren. Nachdem sie von 1896 bis 1905 die Katholische Volksschule Oberbillig durchlaufen hatte, machte Katharina Welsch in der Hebammenlehranstalt in Trier eine Hebammenausbildung, und in der Folgezeit war sie in diesem Beruf in Oberbilllig tätig. Am 29.07.1919 heiratete sie den am 29.05.1887 geborenen Oberbilliger Schiffer Peter Metzdorf. Die Eheleute lebten in Oberbillig in ihrem Haus Nr. 5 und später auf ihrem Kanalschiff „TEUTONIA“, mit dem sie auf der Mosel, der oberen Saar und den französischen Flüssen und Kanälen Güterschifffahrt betrieben. Sie führten eine glückliche Ehe, und sie wurden die Eltern von neun Kindern, drei Töchtern und sechs Söhnen, die in der Zeit von Juli 1920 bis Februar 1932 geboren wurden.
Anfang des Jahres 1936 setzten bei Katharina Metzdorf heftige Wechseljahresbeschwerden ein, die sich nach einigen Monaten zu Depressionen und einer seelischen Erkrankung steigerten. Nach einem Nervenzusammenbruch gegen Ende des Monats März 1936 im lothringischen Champigneulles bei Nancy brachte Peter Metzdorf seine erkrankte Ehefrau auf Anraten des örtlichen Arztes in die Heil- und Pflegeanstalt in Merzig. Im behördeninternem Schriftverkehr wird Katharina Metzdorf als „hilfsbedürftige Geisteskranke“ bezeichnet. In den folgenden dreieinhalb Jahren durchlebte die Kranke in Merzig wechselnde Zustände mit zeitweiliger Besserung und wiederkehrenden Rückfällen. Mehrere Anfragen ihres Ehemanns Peter und anderer Familienmitglieder betreffend eine Entlassung wurden daher von der Anstaltsleitung abschlägig beschieden.
Zum Anfang der Monats September 1939 wurde die in der „Roten Zone“ gelegene Stadt Merzig im Rahmen der „Freimachung West“ geräumt. Zu der Zeit lebten der Heil- und Pflegeanstalt in Merzig noch 670 Patienten und Patientinnen, unter ihnen auch Katharina Metzdorf. In der Nacht vom 31. August auf den 1. September 1939 wurden sie alle in einer „kriegsbedingten Verlegung“ nach den Anstalten in Nassau-Scheuern und Weilmünster gebracht.
Auch Katharina Metzdorf kam in die Hessische Landesheilanstalt Weilmünster. In dieser „Zwischenanstalt“ musste Katharina Metzdorf mit vielen anderen Leidensgenossen und -genossinen noch fast zwei Jahre unter menschenunwürdigen Umständen leben, ehe sie am 19. Juni 1941 mit einem der „Grauen Busse“ mit 40 anderen Todgeweihten nach Hadamar transportiert und am selben Tag nach dem oben beschriebenen Prozedere in der Gaskammer ermordet wurde.
Das „Sonderstandesamt Hadamar-Mönchberg“ stellte eine Sterbeurkunde mit dem falschen Sterbedatum 02. Juli 1941 aus, und die Verwaltung sandte diese mit einem „Trostbrief“ dem Ehemann Peter Metzdorf. Darin wurde ihm bewusst falsch mit-geteilt, dass seine Ehefrau Katharina am 02. Juli dieses Jahres an einer Kreislaufschwäche infolge einer Typhuserkrankung in Hadamar verstorben sei. Zudem wurde ihm eine Zinkurne mit Asche übersandt. Damit wurde vorgetäuscht, dass dies die Asche seiner Ehefrau sei. Die Urne wurde am 18. Juli 1941 auf dem Oberbilliger Friedhof nach einem Beerdigungsgottesdienst beigesetzt. [1]
Einordnung
Ersteller, Baumeister, Architekt, Künstler:
Demnig, Gunter; (Künstler) Berlin [*1947]
Kategorie:
Geschichte /
Marken und Male /
Stolpersteine Zeit:
18.3.2024
Epoche:
21. Jahrhundert
Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.508714
lat: 49.710774
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Aufm Rech
Internet
http://www.stolpersteine.eu/
Datenquellen
[1] Karl-Heinz Zimmer, Oberbillig, 2024. https://khzsenior.de/
Bildquellen
Bild 1: © Karl-Heinz Zimmer, Oberbillig, 2024. https://khzsenior.de/
Stand
Letzte Bearbeitung: 07.09.2024
Interne ID: 53134
ObjektURL:
https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=53134
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