Rehkreuz

Oos, Stadt Gerolstein

Beschreibung
Die ehemals selbständige Gemeinde Oos ist seit 1972 Stadtteil von Gerolstein. Bereits zur Römerzeit war dieser Ort, "Ausava" genannt, eine befestigte Raststation an der großen Römerstraße Trier-Köln, ein kleines Kastell mit mehreren Wohnhäusern sowie einer Pferdewechselstation. Die Pferdetränke soll an der Quelle "Eschenborn" gewesen sein, die heute noch als Viehtränke genutzt wird. Der Turm der kleinen Rochuskirche ist auf den Fundamenten eines ehemaligen Wachturms erbaut, während der kleine zweischiffige Bau 1906/07 neu entstand.
Unauffällig steht auf Bergeshöhe, nicht weit von der einsamen Siedlung "Denkelseifen" entfernt, aber zur Gemeinde Oos gehörend, das sogenannte "Rehkreuz".
Jahrzehntelang lagen von diesem christlichen Denkmal mit der eingravierten Jahreszahl 1692 nur mehr Bruchstücke im Wald, bis es 1992 in der heutigen Form renoviert wurde. Mit diesem Kreuz wird ein tragisches Ereignis in Verbindung gebracht.


"Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet"

Es war im Jahre des Herrn 1692. Da machte sich ein Mann aus Oos, sein Name ist leider nicht mehr bekannt, auf den Weg nach Hinterhausen. Hurtig schritt er den Berg hinan. Bevor er den schmalen Weg in den dichten Wald hinein betrat, wandte er sich nochmals um, um einen Blick auf sein kleines Heimatdorf zu werfen. Viele Gedanken schossen ihm durch den Kopf; viele davon waren traurig und nachdenklich. Gerade die letzten Jahrzehnte waren geprägt gewesen durch Krankheiten im Dorf und die vielen Durchzüge von wilden Soldatenhaufen, die plünderten und keine Achtung vor Leib und Leben der Bevölkerung hatten. Auch er hatte mit seiner Familie mehr Leid als Freud erlebt. Erkrankungen und Missernten hatten ihn und seine Familie nicht verschont. Zwei seiner Kinder ruhten schon im Schatten der alten Rochus-Kirche. Sein einst so stolzer Hof war zwischenzeitlich arg heruntergekommen. Woher sollte er auch das viele Geld nehmen, ihn zu verschönern und wieder auszubessern? Die Fronarbeiten und Zehntabgaben drückten und wurden unbarmherzig eingetrieben. Da fragte niemand, wie er das allein bewerkstelligen konnte und was noch übrig blieb. Deswegen hatte er sich ja jetzt auch auf dem weiten Weg nach Hinterhausen begeben, um dort bei seinem Vetter einen Sack Saatgetreide zu erbitten.
Nun schritt er weiter hinein in den dunklen, stillen Tann. Doch in diese Stille drang bald ein anderer Laut. Pferdegetrappel. Der Mann stand still und lauschte. Ja, da musste wohl ein Reiter kommen. Auch leises Hundegebell war zu vernehmen. In diesen unsicheren Zeiten, dachte er, ist es besser, Schutz zu suchen; wer weiß, wer da kommt. Möglicherweise Soldaten, die selten etwas Gutes im Schilde führen. Und so kauerte er sich abseits des Weges schutzsuchend hinter eine Schlehdornhecke.

Friedrich war bereits seit vielen Jahren Förster bei den Blankenheimer Grafen. Mit seiner Frau und den beiden gesunden Buben wohnte er in dem ansehnlichen Forsthaus neben der Kasselburg bei Pelm. Er war recht zufrieden mit seinem Leben. Geldsorgen kannte er nicht, und seine Frau brauchte sich auch nie Sorgen zu machen, womit sie ihre Familie ernähren sollte. Als gräflicher Bediensteter mit seiner schmucken Uniform war er bei den Leuten sehr geachtet, und manches Mädel schaute ihm heimlich und sehnsüchtig nach, wenn er hoch erhobenen Hauptes mit seinen zwei Hunden durch den Ort ging.
Trotzdem quälten ihn zurzeit trübe Gedanken. In seinem Revier wurde gewildert. Ebenso waren Holzfrevler am Werke. Bereits mehrmals hatte er Baumstümpfe gesehen, die von frisch geschlagenem Holz kündeten. Auch Drahtschlingen fand er zwischen Bäumen gespannt. In einer hing noch ein verendeter Hase. Wenn er diesen Schurken erwischen würde, könnte sich der auf eine strenge Bestrafung einstellen, die er für sein ganzes Leben gewiss nie mehr vergessen würde. Mit solchen Gedanken ritt er auch heute wieder durch den Wald, auf der Pirsch nach Wild, aber auch auf der Suche nach den Übeltätern. Wütend und aufgebracht war Friedrich, denn eben erst hatte er nahe Denkelseifen Blutspuren und das Gedärm eines Rehs entdeckt. Weit konnte der Wilderer noch nicht sein.
Er gab seinem Pferd die Sporen, preschte den Berg hinan. Seine Hunde neben ihm. Da gaben diese plötzlich Laut, blieben stehen und starrten hinüber zu einer Schlehdornhecke. Der Förster zog die Zügel an und schaute ebenfalls dorthin. Bewegte sich da nicht etwas? Doch, ein dunkler Schatten war dahinter zu erkennen. Der Wilderer! Dort hatte er sich also versteckt. Langsam stieg er ab von seinem Pferd, griff zu seiner Flinte und rief mit drohender Stimme: "Hab ich dich endlich, dich elenden Wilderer! Komm hervor, du Lump! Meine Flinte will mit dir sprechen! Denn jetzt bist du mein Reh!"
Wut und Erregung beherrschten Förster Friedrich, ließen der Nachdenklichkeit keinen Raum. Wild rauschte sein Blut in den Schläfen. Sein seit langem aufgestauter Zorn forderte Genugtuung. Und ohne zu zögern, schoss der gräfliche Weidmann in die Hecke. Ein greller Schrei übertönte den Knall der Flinte, dann ein Wimmern und Stöhnen. Danach deckte die Stille dieses Geschehen wieder zu.
Friedrich schaute nach und sah den Mann aus Oos tot in seinem Blute liegen. Ein eisiger Schrecken durchfuhr ihn, denn er kannte diesen Mann. Das war nie und nimmer der gesuchte Wilderer. Ein fleißiger, rechtschaffener Bauer war er, der liebevoll für seine Frau und die vier unmündigen Kinder sorgte. Und nun lag dieser mit gebrochenen Augen tot vor seinen Füßen. Und er war es, der in seiner heißen Wut das Leben eines Unschuldigen geraubt hatte.
Friedrich kniete nieder und bat betend den Toten um Verzeihung. Still im Herzen gelobte er, an dieser Stelle eine Sühnekreuz zu erstellen, damit ein jeder sich an Gottes Wort erinnern möge: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet."
Das Kreuz ist bis heute bei den Leuten als "Rehkreuz" bekannt. (1)

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Sakralbauten / Bildstöcke und Kreuzwegstationen
Zeit:
1692
Epoche:
Renaissance

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.590989
lat: 50.231512
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Beim Rehkreuz

Internet
http://www.gerolstein.de/

Datenquellen
[1] Mayer, Alois. - Sagenhaft, wunderbar : [Sagen und Erzählungen aus dem Altkreis Prüm]. - Alois Mayer. - 1. Aufl.. - Prüm. - Geschichtsverein Prümer Land e.V.. - 2010. - 2010. - 328 S. : Ill.. - Geschichtsverein Prümer Land: Veröffentlichungen des Geschichtsvereins Prümer Land ; 59. - Veröffentlichungen des Geschichtsvereins Prümer Land ; 59. - 978-3-931478-25-4.

Bildquellen
Bild 1: © Alois Mayer, Daun, 2011.
Bild 2: © Uwe Widera, 54550 Daun, 2011.
Bild 3: © Uwe Widera, 54550 Daun, 2011.
Bild 4: © Uwe Widera, 54550 Daun, 2011.
Bild 5: © Uwe Widera, 54550 Daun, 2011.
Bild 6: © Uwe Widera, 54550 Daun, 2011.

Stand
Letzte Bearbeitung: 25.04.2023
Interne ID: 5554
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=5554
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