Hotel zur Post mit Winzereck

Traben, Stadt Traben-Trarbach

Beschreibung
Das Stilempfinden der Gründerzeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war nicht geprägt durch eine klare Formensprache (wie zum Beispiel bei Gotik oder Romanik). Vielmehr herrschte eine gewisse Beliebigkeit vor, bei der man sich willkürlich auf frühere Epochen bezog (Eklektizismus). Die nachfolgend beschrieben Gebäude (Hotel zur Post mit Winzereck, Kaiserliches Postamt von 1908 und Lorettahaus) sind Beispiele für den nationalbewussten romantischen Historismus dieser Zeit.

Hotel zur Post mit Winzereck:
Hauptthemen der Fassadengestaltung dieses vierstöckigen Gebäudes sind die Ortsgeschichte und der Weinbau. In Richtung Brücke vorgelagert befindet sich der eingeschossige Anbau Winzereck mit aufgesetzter Galerie, die von zwei Erkern flankiert ist. Auf dem Dach steht, den Pokal erhebend, eine Filia Mosella, als Tochter des Vater Rhein Inbegriff für Anmut von Landschaft und jugendlicher Attraktivität der Moselweine. Das hoch aufgerichtete Hauptgebäude wirkt sehr steil durch den moselseitigen Stufengiebel mit Sonnenuhr sowie einem aufgesetzten, spitzen Glockentürmchen, das anstatt einer Wetterfahne mit dem Ortssymbol Trabens, einem Traber, gekrönt ist. Die breite Hausfassade zur Straßenseite ist architektonisch durch Fachwerk, Balkon, Erker und einen (funktionslosen) Wasserspeier in Form eines geflügelten Fabelwesens überreich gegliedert. Nimmt man die vielfältigen dekorativen Zutaten der Skulpturen und Inschriften hinzu, kommt die Entdeckerfreude des Betrachters voll auf ihre Kosten. Interpretationsbedürftig ist die Sockelfigur des Eck-Erkers, einer Gestalt, die die sog. Trabener Strafkanne leert (Philipp Adolph Koch, genannt Remy's Philipp). Unter dem straßenseitigen Erker sieht man die Einzelwappen der früheren Stadtteile (Traben = Pferd; Trarbach = Torturm) und die Jahreszahl der städtischen Vereinigung 1904 mit einem symbolischen Händedruck der Beteiligten.

Die Schlusssteine der Arkadenbögen über der Ladenreihe im Erdgeschoss bilden eine zehnteilige Portraitgalerie namentlich bekannter zeitgenössischer Repräsentanten heimischer Berufe (also keineswegs Karikaturen, wie es auf einer alten Postkarte heist).

Da sind von rechts nach links in der Reihenfolge von der Rebe bis zum Kater: (1) Winzer mit Karst und Weinkrug sowie (2) Winzerin mit Kopftuch und wärmender Kaffeetasse (Ehepaar Arend, auch die Heckevohls genannt). Es folgt (3) der Fassküfer mit Schlegel und Berufsymbolen (Emil Gerhard). Dann sehen wir (4) den Kellermeister (Carl Ellermeier) mit umgebendem Spruch Ich als Kellermeisterlein trinke stets den besten Wein. Ein zünftiges, weil den Vorschriften seiner Zunft entsprechendes Outfit trägt (5) der Weinschröter (Wilhelm Bauer) mit Fett-Tasche zum Einschmieren der hölzernen Schrotleitern beim Fasstransport. Die Aura des Geldes umgibt den einkaufenden (6) Weinhändler mit Zylinderhut und dargereichtem Geldsack (Carl Emert). Behäbig - mit Pfeife im Mund - wirkt (7) der Moselschiffer (Peter Hack) mit geschultertem Ruderblatt. Einen gefüllten Flaschenkorb schultert der (8) Weinbursche oder Flaschenküfer (Rudolf Merten). Den Typus des fröhlichen Weingenießers stellt das Porträt (9) des Weintrinkers dar. Es ist der Erbauer des Lorettahauses (Julius Molz,der später ein tragisches Ende fand). Schließlich zeigt der übernächtigte Zecher (10) mit dem saure Hering, dass bei Katerstimmung am nächsteMorgen alles zu viel sein kann (Heinrich llges).

Über dem Eingang zum Winzereck prangt die Schrift Deutsches Haus in deutschem Land schütze Gott mit starke, Hand! Der Vorraum kann mit einem zweiflügeligen, kunstvoll mit Traubenranken reich geschmückten Schmiedegitter geschlossen werden. Der zweite Eingang zum ehemaligen Hotel zur Post ist ebenfalls reich verziert. Ganz oben wird das von 1676 stammende symbolreiche Gerichtssiegel wiedergegeben (Traben = Pferd; Vorort Rißbach = Füllhorn mit Rosen; Vorort Litzig = Fischer mit Fisch). Darunter befinden sich drei Wappen aus der Zugehörigkeit zur Grafschaft Sponheim und ihrer Erben. Links: Pfalz-Sponheim 1444-1795; rechts: Baden-Sponheim 1437-1776; in der Mitte darüber: Das alte Sponheimer Wappen (blau-gold = vordere, rot-silber = hintere Grafschaft Sponheim) ist umrahmt von einem Spruchband, dessen Text sich auf der noch existierenden Trabener Feuerspritze von 1735 befindet:

Ein Trabend Pferd bin ich genannt,
den Trabener Bürgern wohl bekannt.
Litzig und Rißbach hangen an mir,
denen trab ich allzeit für.
Traben von mir den Namen hat,
den Dreien dien' ich früh und spat.

Einordnung
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Wirtschaft, Gewerbe und Verkehr / Versorgung, Gasthöfe, Hotels
Zeit:
1904
Epoche:
Historismus / Jugendstil

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 7.116680
lat: 49.950280
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Trehl

Internet
http://www.traben-trarbach.de/

Datenquellen
Richard Ochs; Traben-Trarbacher Häuser mit sprechenden Gesichtern; Jahrbuch Bernkastel-Wittlich 2002

Bildquellen
Bild 1: Richard Ochs; Traben-Trarbacher Häuser mit sprechenden Gesichtern
Bild 2: Richard Ochs; Traben-Trarbacher Häuser mit sprechenden Gesichtern
Bild 3: © Beate Tuerk, Enkirch. beatuerk@web.de
Bild 4: © Beate Tuerk, Enkirch. beatuerk@web.de

Stand
Letzte Bearbeitung: 13.01.2010
Interne ID: 6179
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