Rote Göttin vom Mont Royal (2)

Rißbach, Stadt Traben-Trarbach

Beschreibung
Verschiedene Bearbeitungsspuren und Techniken an der Roten Göttin vom Mont Royal

(Interpretationen zur Skizze)
1. Absprengungen zur Symmetrie des Steines
2. Einebnung durch Flächen wie Scharrieren
3. Feinschliff oben im kleinen Loch
4. Feinschliff am 16 Zentimeter tiefen Loch links innen
5. Fein eingeschabte Augenbrauen
6. Eingebohrte Augen
7. Zum Mund erweiterter Riss im Stein
8. Feinschliff links aussen daneben Urpatina
9. Eingepickte Nase

In der früheren Mittelmoselzeitung Traben-Trarbach vom 4. September 1970 erschien ein Bericht über einen von mir 1958 gefundenen Monolithen mit der Überschrift: Steinzeitlicher Fund auf dem Mont Royal ( Der Schlußsatz lautete: Es wäre zu wünschen, wenn ein Fachmann dem Stein vom Mont Royal einmal sein Geheimnis entreißen würde. Bereits 1957 hatte ich eine Feuersteinklinge (Grand Pressigny) der Jungsteinzeit oberhalb der ehemaligen Kiesgrube am Westrand des Berges gefunden, die nach Begutachtung durch Dr. Gollub von diesem zur mehrjährigen Ausstellung im Landesmuseum Trier erbeten wurde. Der Monolith lag circa 300 Meter nördlich am Zugarg zur Schutzhütte, einer kleinen nach Westen vorspringenden Bergnase über dem Rißbacher Hohen Fels.

Nun, nach fast 35 Jahren, ist durch Studium von Fachbüchern und Anfragen bei Fachleuten mein Suchen nach Deutung belohnt worden. Nur eine Frau aus der Reihe der angeschriebenen Fachleute (Sybille von Wreden: Megalithkulturen) ließ, als ich ihr Foto und Lagebericht sandte, an eine Nabelgöttin denken und wies auch auf eine eventuelle Besiedlung des wasserreichen ehemaligen Trabener Berges hin, der ja erst nach 1687, dem Baubeginn der Festung, den Namen Mont Royal erhielt und bis heute behalten hat. Einige Quellen am oberen Bergrand sprudeln noch heute.

In diesem Zusammenhang ist folgendes bei der Fundbergung interessant:
Sagte doch einer der Männer, als er seinen Zollstock in die Öffnung hinein mitten in den Stein steckte und 16 Zentimeter maß: Donnerwetter, ein steinernes Weib! So hatte er mit Volkesstimme gesprochen, was viele Männer denken mögen. Die Maße des roten Sandsteinhärtlings, der durch eiszeitliche Triften hier an die Mosel kam, sind: Höhe circa 130 cm, Breite 45 cm, Dicke 30 cm, Lochtiefe 16 cm.

Der Mont Royal war vor dem Festungsbau ebenso wie das Wehlener Plateau für steinzeitliche Besiedlung geeignet. Dort wurden bei der Ausgrabung eines Dorfes der Steinzeit Holzreste gefunden, die durch dendrochronologische Untersuchungen in die Zeit um 5 000 v. Chr. datiert wurden. Die bereits 1952 ausgegrabene Siedlung im Moseltal bei Kues wurde nun auf diese Zeit zurückdatiert, da die Funde zeitgleich sind.

In seinem Buch Die große Göttin lebt schreibt Helmut Uhlig, daß der Göttinnenkult erkennbar an Menhiren mit Andeutung von menschlichen Zügen um circa 5000 v. Chr., von der Bretagne kommend, das Rheingebiet und Pariser Becken erreichte und die dort bereits aus dem Donauraum in mehreren Schüben über einige Jahrtausende eingewanderte Bauernkultur mit ihren verschieden ausgeprägten Merkmalen überlagerte. Als Beispiel ist die aus weicherem Stein herausgearbeitete Göttin von Saint Sernin aus Südfrankreich (nach 3000 v. Chr., Höhe 120 cm) abgebildet.

Die Form und die eingebohrten Augen kommen zum Beispiel an einer neolithischen Stele aus Schafstädt, Krs. Merseburg, vor, die eine Höhe von 94 Zentimeter und eine Basisbreite von 49 Zentimeter hat. Freundliche Hinweise und Fotos erhielt ich von Herrn Dr. Müller, Museum in Halle, der mir auf einen Zeitungsbericht hin von ihm verfasste Literatur über die Dolmengöttin von Langeneichstädt, Kreis Querfurt, sandte.

Textauszug:... in zwei Teile zerbrochene Menhirstatue geborgen werden konnte, die nicht nur hervorragend zugerichtet war (ab 0,7 Meter Höhe vom grob zugehauenen Fußende), sondern neben zahlreichen mehr oder minder gut deutbaren Ritzungen das stilisierte Bild der Dolmengöttin trägt. Die Stele ist 1,76 Meter lang, 0,34 Meter breit und 0,25 Meter stark und besteht aus hellgraugelbem Sandstein. Auf ihrem Scheitel sitzt ein sauber gearbeitetes Näpfchen von 0,06 Meter Durchmesser und 0,015 Meter Tiefe. Die Dolmengöttin präsentiert sich als tiefgeritztes Eirund von 0,16 Meter Länge und 0,12 Meter Breite mit einem 0,23 Meter langen Stiel, der das Oval durchläuft und über dessen Kopf hinausragt (Gesamtlänge 0,40 m). Als weitere Innengliederung finden sich zwei Augen sowie drei ungenaue waagerecht verlaufende Querstriche. Die anderen Ritzungen erweisen sich als zum Teil recht fein ausgeführt. Eine Ausnahme bildet - an der vom Betrachter linken Seite - eine tiefe Wetzrille, die an ähnliche Manipulationen an mittelalterlichen Kirchenportalen und Steinkreuzen erinnert.

In Mythos und Kult der Alpen von Hans Haid sah ich nun eine Steinzeichnung in der Höll im Toten Gebirge Steiermark, die über viele Kilometer hinweg die gleiche Einkerbung wie die Dolmengöttin von Langeneichstädt zeigt, wohl ein Zeichen des Salzhandels, der von Österreich nach Norden geführt wurde.

Auch auf dem Stein vom Mont Royal ist zwischen zwei Augen eine eingehauene Nase zu erkennen, am oberen Ende ebenfalls ein geschabtes? Näpfchen. Auf einem Foto sieht man auch Absprengungen auf der rechten Seite, die diesen Stein in symmetrische Form brachten (Menhir Saint Sernin und viele Abbildungen bei Kirchner: Menhire in Mitteleuropa). Außerdem erkennbar die mit härterem Steinwerkzeug vorgenommenen scharrierartigen Bearbeitungen zur Einebnung von Buckeln rechts neben dem Loch.

Der Stein diente in ähnlicher Weise einem Fruchtbarkeitskult (Muttergöttin) wie die Priapus-Stelen im antiken Mittelmeerraum einem männlichen Potenzkult. Dies lassen die folgenden Berichte über, an oder mit Menhiren vorgenommenen Kulthandlungen mit Sicherheit vermuten, so bei: Horst Kirchner Die Menhire in Mitteleuropa und der Menhirgedanke. Auch in Frankreich ist der Brauch alt, und wenn heute der Gesteinsstaub, beigemischt den Getränken, meistens von Grabmälern und Heiligenstatuen stammt, ist es wahrscheinlich, daß man ihn auch auf den Megalithen gesammelt hat. Ein Bruchstück in Nahant-Vic, geheiligt unter dem Namen Sankt Greluchon, ist der Rest eines Dolmens (Steintisches), der bis 1789 angebetet, abgekratzt und abgeleckt wurde durch unfruchtbare Frauen. Man
hat den Stein (Fels) geschabt, um ihn zu reinigen vom Staub, der die Eigenschaft hat, Ohrenschmerzen zu heilen.

Jean-Pierre Mohen: Megalithkultur in Europa:

Die Megalithen sind Gegenstand von kultischen Riten und Zeremonien, die manchmal in keiner Beziehung zu ihrem Namen stehen, denn diese Bräuche, von denen manche noch sehr regelmäßig befolgt werden, haben einen streng
vertraulichen und persönlichen Charakter, sie betreffen die Liebe, die Fruchtbarkeit, die Gesundheit. In einigen Fällen verbinden sich die Megalithen mit Wahrsagung und Hexerei.

Die jungen Mädchen von Carnac entkleideten sich und rieben ihren Nabel auf dem Stein, während sie einen Wunsch aussprachen. Andere hoben die Röcke und rieben sich den Bauch auf dem Pierre-de-Chantecoq (Stein des Hahnenschreis) im Departement Eure-et-Loir oder auf einer Säule der Roche Marie (Marienfelsen) in der Nähe von Saint-Aubin-du-Cormier (Illi-et-Vilaine). Um im Laufe des Jahres einen Mann zu finden, mußten die Frauen auf dem geneigten Menhir von La Tremplis in Samson-sur-Rance (Cotes-du-Nord) rittlings hin- und hergleiten.

... Die Frau, die Mutter werden wollte, steckte ihren Finger in eine tiefe Einbuchtung des Menhirs, der sich an die Kathedrale Mans lehnte. In Nahant-Vic im Department Indre mußte eine Frau, die unfruchtbar war, ein Bruchstück aus rotem Sandstein belecken, der unter dem Namen Saint Greluchon heilig gehalten wurde; er stammte aus der Platte eines Dolmens, den man noch 1789 sehen konnte.

Die an die Megalithen geknüpfte druidische Tradition verschmolz häufig mit der christlichen Religion. So hing zum Beispiel in Locoal-Mendon in Morbihan in der Nähe eines Schrankbettes ein Rosenkranz und ein durchscheinender Chalzedon-Stein, der auf eine blau-rote Wollschnur gefädelt war. Dieser Stein, den man in einem Dolmen aufgelesen hatte, wurde seit Generationen benutzt, um die Menstruation der jungen Mädchen des Hauses zu erleichtern.

Solch einem großen Stein vertrauen sich manchmal Frauen an, die einen Ehemann suchen. Ähnliches geschah in unserer engeren Heimat am Heiligen-komm-hol-mich, der Grabplatte des Philipp von Ottenesch († 1535) im Turmeingang der Wallfahrtskirche Eberhardsklausen. Heiratswillige Frauen rieben in den Falten der Pluderhose der Figur und kribbelten an den Zehen, um ihre Heiratsabsichten zu äußern und um Erfolg zu bitten, nach dem Wittlicher Volksmund mit dem Vers:

Heilige Kudoo hol' mich -
geb mer'n gude Mann
der mich nit schlägt
der mich nit tritt
der nit in't Wirtshaus gieht.

Auch auf den den Mont Royal umrahmenden Bergen, die diesen wie ein Amphitheater umlagern, konnte ich Steinmale verschiedener Epochen feststellen, zum Teil zeichnen lassen oder fotografieren.

So fand man in Wolf unterhalb des Bergklosters am Hang, wo früher eine römische Anlage war, einen 210 Zentimeter hohen Quarzstein mit handgroßem, flachen Loch in der Mitte. Dieser Stein ist nun in einer langen Zyklopensteinmauer als größter Stein aufgestellt und eingearbeitet

Auf einer 1975 von mir entdeckten keltischen Anlage über Kautenbach, der Gottwerthshöheu, ist ein Stein mit einem 4 x 4 Zentimeter großen Loch, der durch Wasserschliff geglättet, wohl einst aus dem Kautenbach dorthin gebracht wurde.

Neben den zwei Kampsteinen, wovon der liegende 380 Zentimeter mißt und als spindelförmiger Schieferstein mitten von einem goldgelben Quarzstein ausgefüllt ist, liegen im Kirschwald zwei übergroße Steine nahe beieinander, ähnlich wie vor der Flurbereinigung im Thommen in Enkirch und dem Peinappel ebenda, über die der verstorbene Heimatforscher Hans Immich-Spier mehrfach in verschiedenen Berichten schrieb.

Weitere Steinsetzungen sind die bei der Enkircher Gemarkung liegenden Endeier Köpfe, die zwar ausgegraben, aber nicht publiziert sind. Bei Anfrage an das Trierer Landesmuseum wurde mir mitgeteilt, daß es sich wohl um natürliche Anordnungen handelt. Der aufmerksame Betrachter möge selbst urteilen und mir gegebenenfalls Hinweise auf ähnliche Objekte mit Andeutung auf menschliche Darstellungen zukommen lassen.

Im Juni 1993 sah ich auf dem Moselberg über Beilstein einen circa 1,85 Meter hohen Monolithen aus Quarzkonglomerat, die Vorderseite flächig eben, die anderen Seiten grob zugehauen; die lorbeerblattförmige Spitze sehr gleichmäßig. Zwei Besonderheiten weist der Stein auf: Die Spitze ist wie poliert glatt, vermutlich durch Schaben und Reiben. Von der Spitze bis über die Mitte des Steines läuft ein handflächenbreites, nur wenige Millimeter dickes, rötliches Quarzband. (Man denke an die in verschiedenen Kulturen vorkommenden gläsernen Mauern, bei denen durch große Hitze (Holzkohle?) ein sinterartiger Überzug erreicht wurde.) Für die Bearbeitung eines Steines waren etwa 2-4 Leute notwendig. Für den Transport und die Aufstellung dürften wohl 20-40 Personen benötigt worden sein. Die Politur an der Spitze haben wohl viele Menschen über Jahrzehnte oder Jahrhunderte durch Handreiben erreicht.

Im August 1993 zeigte eine Fernsehsendung nach dem Buch Mythos und Kult in den Alpen (Anmerkung 4) die aufgehende Sonne über einem Menhir ähnlich dem bei Beilstein. Hier könnte durch die Politur an dessen Spitze ein besonderer Strahlungseffekt entstanden sein.

Wie die Kirchengemeinden ihre Kirchen haben, dürfte auch jeder Stamm oder jeder wie auch immer zu nennende Zusammenschluß von Bevölkerungsgruppen sein Heiligtum in Form eines Kultsteines gehabt haben, wie vielleicht auch auf dem Trabener Berg.

Literatur
Dr. R. Knod in Traben-Trarbach Aus der Urzeit des Kreises Zell in Der Kreis Zell an der Mosel, ein Heimatbuch. Herausgeber Landrat Dr. v. Stein 1929, S. 11-15, Verlag Eckardt & Fesch Düsseldorf

Bernkastel-Kues in Geschichte und Gegenwart, Festschrift zum 700jährigen Stadtjubiläum 1991 II. Aus der Geschichte vor der Stadtrechtverleihung

Die Ausgrabungen der bandkeramischen Siedlung Wehen und die früheste steinzeitliche Besiedlung der Umgebung von Bernkastel von Hartwig Löhr, S. 34.

H. Uhlig Die große Göttin lebt, Gustav Lübbe Verlag Bergisch Gladbach, S. 171, 1992

H. Haid Mythos und Kult in den Alpen, Kultstätten und Bergheiligtümer im Alpenraum, Biricz Verlag Mattersburg-Bad Sauerbrunn 1990, S. 34, 83

Dr. Horst Kirchner Die Menhire in Mitteleuropa und der Menhiregedanke, S.42. Orientalische Zeugnisse für sakrale Masturbation an heiligen Steinen als Fruchtbarkeitszauber (R. Eisler Archiv f. Religionswissenschaften 15, 1912, 311) S. 43, aus Akad. d. Wissenschaften und der Literatur Jahrgang 55 Nr. 9, Franz Steiner Verlag Wiesbaden

J. Mohen Megalithkultur in Europa Geheimnisse der frühen Zivilisation, Belser Verlag Stuttgart 1989, S. 17 ff., 22, 34, 38, 41 f.

Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, 12. Band, Kunstdenkmäler des Kreises Wittlich, Düsseldorf 1934, S. 78, Fig. 36

Frdl. Mitteilung von Frau Johanna Laqua (Wittlich) Traben-Trarbach

Einordnung
Kategorie:
Archäologische Denkmale / Steinmale, Menhire /
Zeit:
Mittelsteinzeit, circa 3000 vor Chr.
Epoche:
Vor- / Frühgeschichte

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 7.110391
lat: 49.967046
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Kohnerter Seifen

Internet
http://www.traben-trarbach.de/

Datenquellen
[1] Helmut Wendhut: Die "rote" Göttin vom Mont Royal. Eine Kultstele aus der Mittelsteinzeit (ca. 3000 v. Chr.) in: Kreisjahrbuch Bernkastel-Wittlich 1994.

Bildquellen
Bild 1: Helmut Wendhut: Die "rote" Göttin vom Mont Royal.
Bild 2: Helmut Wendhut: Die "rote" Göttin vom Mont Royal.

Stand
Letzte Bearbeitung: 19.04.2004
Interne ID: 6336
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=6336
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