Ehemaliges Mustor - 2. Entwurf

Mitte-Gartenfeld, Stadt Trier Mustorstraße

Beschreibung
Die Trierer Stadttore in einer Beschreibung von 1861:

Thore. Trier hat acht Thore und zwar:
a. Das Brückenthor, am westlichen Ende der Stadt und als Schlußpunkt der Moselbrücke nach der Stadt hin.
Das frühere Krahnenthor, welches am unteren Krahnen nach dem Hafen führte, wurde gleichzeitig mit dem vorerwähnten Theile der Stadtmauer beseitigt.
b. Das Zurlaubener- oder Katharinenthor; es wurde angelegt im Jahre 1815, und durch seine Anlage kann man jetzt die Stadt rings umwandeln.
c. Das St. Martinsthor, liegt höher hinauf, ebenfalls nach der Moselseite; seine Benennung rührt von dem nicht weit davon liegenden ehemaligen St. Martinskloster her.
d. Das Römerthor, das merkwürdigste von allen, worüber unten bei den Alterthümern ausführlicher die Rede sein wird. Das von dem Kurfürsten Franz Ludwig erbaute ehemalige St. Simeonsthor dicht daneben dient seit Wiedereröffnung des Römerthores nur zum Einpassiren mahl- und schlachtsteuerpflichtiger Gegenstände, sowie für die Passage des Nachts und des Abends, indem regelmäßig das Römerthor schon um 7 Uhr Abends geschlossen wird.
e. Das Musthor, beinahe diametral dem Krahnenthor gegenüber liegend, in der letzten Zeit erneuert und mit Statuen geschmückt.
f. Das Weberbacher Thor, an der Südseite der Stadt, wo der Weberbach in dieselbe tritt.
g. Das Neuthor, westlich von dem vorhergehenden. Dieses Thor wurde erbaut unter Johann I. im 12. oder Anfangs des 13. Jahrhunderts, in welche Zeit auch die noch jetzt über demselben befindliche Sculptur gehört: wir erblicken darauf Christus in der Stellung eines Segnenden, rechts den h. Petrus, links den h. Eucharius. Darüber standen ehedem, aus ein halb Fuß langen, kupfernen, stark vergoldeten Buchstaben folgende Worte:
Trevericam plebem Dominus benedicat et urbem.
(Der Herr segne der Trierer Volk und Stadt.)
Darunter in eben solchen Buchstaben:
Sancta Treviris
(Heiliges Trier.)
Dasselbe Emblem zeigt auch das älteste Stadtsiegel von Trier. Leider sind die Buchstaben der Inschrift in späterer Zeit entwendet, aber kürzlich durch andere ersetzt worden; für die Erhaltung der noch übrig gebliebenen Sculptur aber ist vor Kurzem hinlänglich gesorgt worden. Auf dem rechten Thor flügel von der Stadt aus steht auch noch die Iahreszahl 1458.
h. Das Barbeler Thor, dicht neben dem Brückenthore und im rechten Winkel gegen dasselbe, die Kommunikation zwischen der Stadt und der sie umgebenden Allee eröffnend.
Außer dem Römerthore und einigermaßen dem Musthore, seit seiner vor nicht langer Zeit erfolgten Veränderung bietet keines der übrigen Thore Interesse durch Form oder geschmackvolle Ausführung dar. Mit Ausnahme des Barbeler Thores, welches in Eisen gegossene gegitterte Thorflügel hat, finden sich noch an allen übrigen, sogar am Römerthore, die mittelalterlichen, aus dicken eichenen Bohlen bestehenden, über und über mit Eisen und großen Nägeln beschlagenen Thorflügel, an denen auch das charakteristische Ausfallpförtchen nicht fehlen darf. [1]

Für eine Neuerrichtung des Mustores finden sich zwei Entwürfe Wolffs aus den Jahren 1835 und 1837. Nach den Beschreibungen des Tores bei v. Haupt und Lay ist Wolffs Entwurf von 1837 derjenige, der letztlich umgesetzt wird:

Geschmückt mit den Bildern von Minerva und Diana, einstöckiges steinernes Tor mit zwei Nebentüren.

Die beiden Entwürfe unterscheiden sich grundlegend voneinander.

Der erste Entwurf zeigt einen querrechteckigen putzrustizierten Baukörper mit den Proportionen von etwa 1:2, dessen mittleres Drittel von einem hohen zweiflügeligen und stark ornamentierten Tor eingenommen wird. Darüber neben Akanthusranken und Eichenlaub die Darstellung eines die Schwingen ausbreitenden Adlers. Die massiven pylonartigen Wandscheiben zur Linken und Rechten des Tores, die höher sind als der Mittelteil, enthalten je ein kleines Fußgängerportal mit einem leicht profilierten, ausgestellten und gerade verdachten Gewände. Eine hohe, dreistufige akroterienbekrönte Attika schließt das Tor nach oben ab.

Die Königliche Commandantur wünscht einen Plan Wolffs zur Gestaltung des Tores, um sich

in fortificatorischer Hinsicht […] über die projectierte Erweiterung des Mußthores äußern zu können.

Es bestehen wohl von seiten der Militärbehörden Bedenken gegen ein nicht völlig verschließbares Stadttor. So wird Wolff am 1.9.1835 von seinem Oberbürgermeister v. Haw aufgefordert

… zur baldgefälligen Anfertigung der Zeichnung nebst gutachterlichen Äußerung über den Verschluß des Thores.

Der Plan wird v. Wussow in seiner Funktion als General vorgelegt und am 30.9.1835 von ihm mit einer Anmerkung versehen :

Die Darstellung des (wahrscheinlich) preußischen Adlers erscheint völlig verzeichnet und dürfte auch (unlesbar) bemerkt sein.

Am 14. Oktober 1835 wird der Plan von der Preußischen Regierung nach Trier zurückgesandt:

Die Zeichnung des Thores senden wir Ihnen hierbei zurück, um den Baumeister auf die Bemerkungen des Herrn Majors v. Wussow aufmerksam zu machen.

Es gibt wohl Probleme mit den Behörden, denn Wolff moniert noch am 9. Oktober in einem Schreiben an die hochlöbliche Intendantur, daß diese … einen 10ten Plan über diese Anlage wünscht.

Formale Indikatoren für Wolff als Entwerfer auch dieses ersten Tores sind die typischen Seitenportale mit den langgezogenen Ohren, der Verdachung und den ausgestellten Gewänden sowie die nur bei Wolff zu findende Ausbildung von Kämpferkapitellen und Simsen mit ovalem Echinus und einer deutlichen Schattennut zwischen diesem und der Abakusplatte. Die Ornamentik des großen Portales ist diejenige des Schmuckbandes am Gebäude Brotstraße 45 aus der Zeit um 1830.

Der zweite Plan zeigt einen quadratischen und die Stadtmauer um etwa zwei Meter überragenden zentralen Torbau, dem ein großes zweiflügeliges kassettiertes Rundbogenportal einbeschrieben ist.

Der Entwurf ist in der Mitte geteilt und zeigt in der linken Hälfte eine Variante I und rechts eine Variante II. Während Nummer I bis zum Kämpfer rustiziert und darüber hinaus glatt verputzt ist und den Übergangszwickel zum Portal mit Ornamentik füllt, ist die Variante II vollständig rustiziert. Die Attika ist wie beschrieben gekrönt mit den lebensgroßen Figuren der Diana zur Linken und Minerva zur Rechten. Die Mitte zeigt auf einem Sockel ein ebenso großes Palmetten-Akroterion..

Baulich getrennt von beschriebenem Haupttor sind die Nebenpforten links und rechts in die Stadtmauer eingelassen. Die Variante I als kleiner Putzbau mit kassettiertem Torblatt und faszettiertem, geehrtem sowie ausgestelltem Gewände und einem abschließenden flachen Dreiecksgiebel; Variante II ist, wie bereits das große Tor, rustiziert.

Inwieweit dieser zweite Entwurf vollständig aus Wolffs Feder stammt, ist unklar; in dem Schreiben eines nicht identifizierbaren Autors an die Stadt findet sich eine Bemerkung, gemäß welcher anstatt des vorgelegten Entwurfes Wolffs von Berlin ein anderer Plan zurückgeschickt und dann auch schnell umgesetzt wurde.

Vielleicht hat hier eine Skizze aus Berlin als Vorlage gedient. Für eine solche Einflußnahme spricht die Ähnlichkeit des Entwurfes mit der (unausgeführten) römisch-klassisch beeinflußten Entwurfsskizze Schinkels für das Hallesche Tor in Berlin aus dem Jahr 1819.

Für eine Urheberschaft Wolffs - zumindest in Teilen - spricht der Revisionsvermerk Busses vom Mai 1837 im rechten oberen Viertel des Plans: Im Entwurf II revidiert in der OBD Berlin. Bei einem scheinbar schnellen Wechsel vom ersten auf den zweiten Entwurf gibt es auch finanzielle Probleme mit dem für den Bau zuständigen Baumeister Peter Bentz, da sein Angebot für die Umsetzung des neuen Entwurfs nun nicht mehr ausreicht, da das neue Tor von den Massen und den Proportionen ganz anders konzipiert ist.

Der erste Entwurf zeigt mit Quaderrustizierung, Art und Ausbildung der kleinen Nebentüren und Akroterien eine Anlehnung an griechische Tempelarchitektur, wohingegen der gesamte Torkomplex eher ägyptischen Tempelportalen mit ihren niedrigeren zentralen Eingängen und den flankierenden großen Pylonen ähnelt.

Der Entwurf wirkt im ganzen unentschlossen, ist nicht französisch und nicht preußisch, auch nicht griechisch.

Entwurf 2 läßt zwei Entstehungsvarianten zu: Er läßt an die Geel Box denken mit rundbogigem Portal, Rustizierung, Tnglyphensims und Attika mit zentralem Wappen; hierfür spricht die Tatsache, daß Wolff bereits zweimal, nämlich am Hauptzollamt wie am Haus Brotstraße 34 auf den Torbau am Domfreihof zurückgegriffen hat.

Die zweite, wahrscheinlichere Möglichkeit ist die erwähnte Vorbildfunktion Berlins, vielleicht in Vorgabe einer Kubatur, deren Binnengestaltung sodann von Wolff im Sinne Schinkels vorgenommen wurde und letztlich wiederum in Berlin zur Schlußkorrektur" Busse vorgelegen hat.

Erhaltungszustand: Entwurf

Baumeister: Johann Georg Wolff (Kreisbaukonduktor und später Bauinspektor sowie bis 1848 Stadtbaumeister)
Geboren: 7.3.1789 in Trier
Gestorben: 31.8.1861

Weitere (erhaltene) Bauten: u.a. Kasinogebäude am Kornmarkt, Hauptzollamt am Johanniterufer 1-3 und das Königlich Preußische Gefängnis, heute Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum. [2]

Einordnung
Ersteller, Baumeister, Architekt, Künstler:
Wolff, Johann Georg (Stadtbaumeister), Trier [1789-1861].
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Wehrbauten und militärische Anlagen / Stadtbefestigungen
Zeit:
1837 [Entwurf]
Epoche:
Klassizismus

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.645990
lat: 49.753698
Lagequalität der Koordinaten: Vermutlich
Flurname: Ortslage

Internet
http://www.drzimmermann.info/

Datenquellen
[1] Von Haupt, Theodor: Panorama von Trier und seinen Umgebungen. Vierte, gänzlich umgearbeitete Ausgabe von 1861.
[2] Michael Zimmermann: Klassizismus in Trier. Die Stadt und ihre bürgerliche Baukunst zwischen 1768 und 1848. WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, 1997. ISBN 3-88476-280-X

Bildquellen
Bild 1: Stadtarchiv Trier: Tb 01 / 067
Bild 2: Created by Sébastien Pontault de Beaulieu (1612-1674), reproduced from an original copperprint by Palauenc05., Public domain, via Wikimedia Commons

Stand
Letzte Bearbeitung: 26.10.2021
Interne ID: 8866
ObjektURL: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=8866
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