Orgeltribüne im Dom

Mitte-Gartenfeld, Stadt Trier Domfreihof

Beschreibung
Das einstmals Schinkel zugeschriebene und inzwischen gänzlich erforschte Gebäude der Orgeltribüne im Trierer Dom ist ein Entwurf Wolffs aus dem Jahr 183031, wie sein bei Lager veröffentlichtes und im Bistumsarchiv befindliches Schreiben vom 9. Februar 1831 an den Dompropst Auer zeigt:

Den verlangten Plan nebst Kostenanschlag über die Erbauung eines Orgel-Chores in der hiesigen Domkirche habe ich angefertigt und beehre mich denselben Ew. Hochwürden mit dem Bemerken ganz ergebenst zu übersenden [...]

Geplant ist die Errichtung einer säulengetragenen Empore im Westchor des Domes für die Aufnahme einer neuen Orgel. Hierzu erhält die dort befindliche Grabtumba Balduins einen von acht Säulen und vier Pfeilern getragenen Baldachin, den Wolff aus Bestandteilen des 1804 unter dem französischen Bischof Charles Mannay niedergerissenen Grabaltars des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Carl Caspar von der Leyen (1652-1676) errichtet und welcher die Galerie zusammen mit sieben zu erstellenden ionischen Säulen aus Minninger Sandstein tragen soll.

Diese tragen ihrerseits einen Architrav, bestehend aus einem ionischen Gebälk und einem vegetabilen Fries, der sich in süd-östlicher Richtung als Verbindung der beiden westlichen popponischen Pfeiler spannt und ein Brüstungsgitter aus Akanthusranken erhält. Nachdem es wohl statische Probleme gibt, da die Säulen

[...] vermöge ihrer abnorm großen Interkolumnien gegen die lastenden Horizontalen nicht aufkamen,

macht Wolff in einem Schreiben an das Domkapitel, welches wohl nur eine, höchstens drei weitere Säule setzen will, statische und gestalterische Gesichtspunkte geltend:

Was das Setzen von drei Säulen betrifft, wage ich es zu bemerken, daß über die Säulenstellungen in der Architektur feste Grundsätze und Bestimmungen bestehen, wovon die Sachkenner bei Anbringung und Verteilung von Säulen Rücksicht zu nehmen haben. [...] so kann ich nicht umhin bei einem hochwürdigen Domkapitel ehrerbietigst darum anzustehen, da die Kosten zur Anbringung von sieben Säulen, sowie in der Vorderfronte, unbedeutend sind und nur 150 Thaler betragen, hochgeneigtest zu genehmigen, daß eine gehörige symmetrische Anlage und architektonisches Verhältniß bei dieser noch auszuführenden Anlage gestattet werden mögen.

In Folge mancher dennoch auftretenden Schwierigkeiten werden dann außer den beantragten sieben noch weitere zehn Säulen errichtet, jeweils eine Reihe von fünf Säulen in west-östlicher Richtung links und rechts der Balduins-Tumba.
Schinkel schreibt in seinem Bericht vom 8.9.1833 anläßlich seines Besuches in Trier am 11. August und (u.) Besichtigung der Orgeltribüne:

Zugleich will man eine große Orgel in dieser Tribüne anbringen und hat dazu eine auf jonischen Säulen ruhende Empore in dieser Tribüne gebaut, deren Verhältnisse und Details nach griechischen Mustern gut gelungen sind.

Es muß die Frage gestellt werden, ob die Muster, die Wolff für die Errichtung seiner Empore vorliegen, griechischer Natur sind oder ob es sich hierbei um Schinkels Sammlung Architektonischer Entwürfe handelt.

Das sechste Heft aus dem Jahr 1825 publiziert Schinkels Planung für das Berliner Museum am Lustgarten, welches 1823-1830 errichtet wurde, einschließlich einer perspektivischen Einsicht in das Pantheon.

Erste auffallende Parallele ist eine Halle aus kannelierten ionischen Säulen auf hohem Sockel, welche ein ionisches Epistyl tragen, darüber ein Fries, in Trier ornamental, in Berlin mit Schriftzug. Wenn Pundt über das Museum am Lustgarten schreibt

[...] daß dieses Sockelgeschoß in der Tat auch eine ästhetische Funktion zu erfüllen hatte,

so gilt dieses in gleicher Weise für dasjenige an Wolffs Säulengalerie.

Wolff hatte die bestehenden Treppen, die Marmorstirnwand des Chores und die Marmorverkleidung der seitlichen Pfeiler, die als mächtiger Stylobat wirkten, bewußt als Basis für seine Anlage genommen, denn

Für das Gesamtbild des Dominnern waren Bühne und Orgel von hoher Bedeutung.

Über dem Sockelbau [...] aufsteigend, sichert sie der Front ihre große maßstäbliche Wirkung

Für den bescheidenen Maßstab des Trierer Bauwerkes kann man gleiches gelten lassen.

Und indem er jenseits der Freitreppe den Treppenbau zum Obergeschoß freilegt, verdeutlicht er noch einmal den Maßstab der Halle. [...] So sehr ist er von dem Wunsche bewegt, über die Struktur des Innern Rechenschaft zu geben, daß er die räumlich nicht ganz gesicherte Anlage dieser eingefügten Treppen in Kauf nimmt.

Auch Wolffs Wunsch ist es, die innere Struktur der Säulenhalle transparent und hell zu gestalten und so der balduinschen Tumba einen würdigen Rahmen zu geben. Diesen Effekt erreicht er durch das Offenlassen der Apsis und den Einbau der Empore nur im Bereich des Chores, die so von hinten lichtdurchflutet wird.

Für Wolffs Kenntnis von Schinkels Plänen spricht auch das Trierer Brüstungsgitter, bestehend aus einer durchlaufenden Reihung von Akanthusranken mit zwischenstehenden schlichten Tragstäben und einem Obergurt. Es findet sich im Berliner Bau im Kuppelsaal als direkt vergleichbarer oberer Abschluß einer korinthischen Kolonnade in beinahe identischer Ausbildung.

Die Ausführung sowie die detaillierte Beschreibung der einzelnen Bauteile zum Zwecke der Kostenermittlung zeugen von großer Detailkenntnis Wolffs der antiken Bauformen.

So spricht er von:
attischen Schaftgesimsen, kannelierten Säulenschäften, römischen Kapitalem, Voluten, Architrav, Perlstab, Karnies.

Die Empore wurde nach langen heftigen Diskussionen laut Mitteilung des Kultusministeriums 1905 endgültig entfernt.

Erhaltungszustand: Nicht erhalten

Baumeister: Johann Georg Wolff (Kreisbaukonduktor und später Bauinspektor sowie bis 1848 Stadtbaumeister)
Geboren: 7.3.1789 in Trier
Gestorben: 31.8.1861

Weitere (erhaltene) Bauten: u.a. Kasinogebäude am Kornmarkt, Hauptzollamt am Johanniterufer 1-3 und das Königlich Preußische Gefängnis, heute Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum. [1]

Einordnung
Ersteller, Baumeister, Architekt, Künstler:
Wolff, Johann Georg (Stadtbaumeister), Trier [1789-1861].
Kategorie:
Bau- und Kunstdenkmale / Sakralbauten / Katholische Kirchen
Zeit:
1830-31 [Entwurf]
Epoche:
Klassizismus

Lage
Geographische Koordinaten (WGS 1984) in Dezimalgrad:
lon: 6.644079
lat: 49.756109
Lagequalität der Koordinaten: Genau
Flurname: Ortslage

Internet
http://www.drzimmermann.info/

Datenquellen
[1] Michael Zimmermann: Klassizismus in Trier. Die Stadt und ihre bürgerliche Baukunst zwischen 1768 und 1848. WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, 1997. ISBN 3-88476-280-X

Bildquellen
Bild 1: Nikolaus Irsch: Der Dom zu Trier. In: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz.-Düsseldorf 1931
Bild 2: Peter Martin Wallrand: Die Geschichte des Doms zu Trier und Beschreibung und Erklärung seiner Monumente. - Trier 1844

Stand
Letzte Bearbeitung: 10.03.2005
Interne ID: 8883
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